1928

P. Benno Linderbauer (13. Dezember 1863 – 20. Oktober 1928)

In den Morgenstunden des 20. Oktober 1928 verschied nach nur kurzem Krankenlager in der Abtei St. Bonifaz, wohin er sich vor zwei Wochen begeben hatte, um sein letztes großes Werk über das Latein der Bibelsprache zum Abschluss zu bringen, P. Benno Linderbauer, Benediktiner der Abtei Metten. Am Dienstag, 23. Okt., fand die Beisetzung unter ungewöhnlich zahlreicher Teilnahme im Mettener Klosterfriedhof statt, ut requiescat inter confratres mortuos et coruscet inter vivos: homo vere humanus isque monachus et Mettenensis.
P. Benno Linderbauer war ein Münchener Kind (geb. 13. Dezember 1863). Von Gott hatte er fünf Talente mit in die Wiege bekommen; seine Eltern,· einfache Arbeitereheleute, fügten die Erziehung zu tief innerlicher Frömmigkeit hinzu. Dafür wollte sie Gott auch besonders belohnen und ließ ihnen aufrichtige Freude an ihrem Kind erleben, schon in der Volksschule, besonders als sich der Katechet, der nachmals so berühmt gewordene Pfarrer bei Heilig-Geist, München, Adalbert Kuhn, sich des ungemein geweckten Knirpses annahm und ihm die Grundbegriffe der Ciceronianischen Sprache beibrachte. Damit aber war dem lateinischen Abc-Schützen das Tor zur Weisheitshalle eröffnet, und schon nach Jahresfrist war der kleinwinzige Hans Linderbauer der Geistesriese seiner Klasse bei den Benediktinern in Scheyern. Diesen gebührt das nächste Verdienst, dass ihr Schüler (1874/78) auf dem besten Wege war, ein „alter Cicero“ zu werden. Als der Lateinschüler mit Scheyern fertig war, wurde er Gymnasiast in Freising, natürlich auch dort wieder der Beste unter den Besseren, sogar im Absolutorium (1882). Als Münchener entschied sich der Absolvent für die Universität München, um dort Philosophie und Theologie zu betreiben, zunächst als Stadtkandidat, doch nicht als sog. „Wilder“, sondern als Mitglied der eben aufblühenden katholischen Studentenverbindung Rhaetia. Dieser bewahrte er unverbrüchliche Treue auch bis zu seinem Tod; sein letzter Gang, ein paar Stunden vor seiner letzten Erkrankung, hatte tatsächlich seinen lieben Rhäten gegolten, Philistern und Aktiven, die ihrem alten Herrn und Bundesbruder mit nicht minderer Treue zugetan waren. Sie waren es auch, die an der Totenbahre in der Gruft St. Bonifaz-München die Ehrenwache übernahmen, die feierliche Eskorte bei der Überführung zum Bahnhof bildeten und eine ungewöhnlich starke Abordnung zur Leichenfeier nach Metten entsandten. Unvergessen bleiben die Abschiedsworte, die die Sprecher für Aktivitas und Philisterium am Grabe dem verblichenen Bundesbruder widmeten.
Der angehende Theologe entschied sich für das·Georgianum in München, um sich auch die für das Priestertum nötige asketische Ausbildung zu sichern. Dort kaum eingetreten, überkam ihn schon unwiderstehliches Heimweh nach den Benediktinern. Sein früherer Lehrer und väterlicher Freund, P. Rupert Metzenleitner, der nachmalige Abt von Scheyern, gab ihm jedoch den selbstlosen Rat, im Kloster Metten anzuklopfen, wo ihm wegen des Vollgymnasiums wohl auch akademische Ausbildung in der klassischen Philologie ermöglicht würde. Abt Utto Lang gewährte die erbetene Aufnahme (Weihnachten 1883), die letzte vor seinem plötzlichen Tod (25. Februar 1884). Kurz zuvor (7. Dezember 1883) hatte Abt Utto seinem übernächsten Nachfolger in der abteilichen Würde und dem späteren Bischof von Eichstätt, P. Leo Mergel, die Ordensprofess abgenommen. Als erster unter Abt Benedikt Braunmüller legte Fr. Johannes Linderbauer die ersten Ordensgelübde ab (20. Januar 1885) und erhielt als Münchener dabei von dem historisch eingestellten Abt den Ordensnamen Benno. Die feierliche Profess erfolgte am 15. Mai 1887. Fünf Jahre nach dem Absolutorium war P. Benno schon Priester (5. Juni 1887) und staatlich geprüfter Lehramtskandidat, unter 34 Bewerbern der zweite.
Das erste lateinische Absolutoriurn korrigierte er im Jahre 1888, zunächst als Aushilfslehrer, dann als Leiter der 8. Klasse von 1890 bis 1908. Außerdem bewältigte P. Benno noch manch andere Arbeitslast, als Lehrer für Hebräisch (1893/97) und Stenographie (1891/93), als Leiter des Ordensseminar (1909/11) und Magister der Laienbrüder, als Lektor für Moral an der theologischen Hausanstalt (1910/13) und als Vorstand der ansehnlichen Stiftsbibliothek (1914/26). Auch an der Herausgabe des Thesaurus Linguae Latinae war P. Benno längere Zeit als Mitarbeiter beteiligt. Unermüdliche seelsorgliche Arbeit im Beichtstuhl und als Frühmesser und Religionslehrer im nahen Schloß Offenberg (1893/1907) war für ihn wie Erholung. Besonders in den letzten Jahren war er überdies stets bereit, in verschiedenen Frauenklöstern (Plattling, Straubing und besonders Mallersdorf) den stellvertretenden Beichtvater oft auf längere Zeit zu machen. Daneben fand P. Benno auch noch Zeit und Kraft zur Vertiefung und Erweiterung seines umfassenden Wissens. Obwohl Altphilologe von Fach und Neigung, drang er auch ungemein tief in die neueren Sprachen ein, theoretisch und praktisch, und kam dabei wie von selber auf das Gebiet der Sprachvergleichung, die lange Zeit sein Lieblingsstudium war. Dass er sich auch in den theologischen Wissenschaften stets auf der Höhe erhielt, geht schon aus der Tatsache hervor, dass er viele Jahre hindurch bischöflicher Prosynodal-Examinator war. Wäre P. Benno nicht ein ungemein schneller Arbeiter gewesen, und zwar ohne Einbuße für Gründlichkeit, wäre ihm dies vollgerüttelte Arbeitsmaß wohl bald über den Kopf gewachsen, besonders da er als Leiter der 8. Klasse am Gymnasium ohnehin schon stark in Anspruch genommen war. Doch kein Abend erlebte bei ihm aufgeschobene Arbeit. Nur ging es bald auf Kosten seiner Nerven. Wegen fühlbaren Personalmangels in Schule und Kloster war schon seine Ausbildungszeit auf das noch angängige Mindestmaß herabgedrückt worden, und hernach häufte sich Arbeit über Arbeit auf seinen Schultern, da gerade in der ersten Zeit seiner Lehrtätigkeit die Todesfälle im Kloster ungewöhnlich zahlreich waren. Arbeitslast und Schaffenslust in diesem Ausmaß hatten zur unvermeidlichen Folge, dass P. Benno schon von 1893 an sich mehrfache Einschränkung auferlegen und in der Folge wiederholt in unfreiwillige Ferien gehen musste. Einen solchen Urlaub benützte er zu einer ausgedehnten Studienreise in Italien (1897), von der er mit neuer Kraft und womöglich mit noch größerer Begeisterung für die Schule zurückkehrte. Freilich, im Lauf der Zeit machten ihm nicht bloß mehr die Nerven und Augen zu schaffen, deren Sehkraft schon immer sehr beschränkt war, es pochten nach und nach eine Reihe von Krankheiten bei ihm an, so dass der Abschied von der Schule schließlich zur unabweisbaren Notwendigkeit wurde, und P. Benno brachte das Opfer schweren Herzens, doch unentwegt mehr als Mönch denn als Mensch (1910).
So vielgestaltig auch das Arbeitsfeld des P. Benno in seiner sog. gesunden Zeit war, so war doch sein liebstes Gebiet das der Forschung in wissenschaftlicher Form. Dass er sich hierbei die Sprache des Cicero als Sondergebiet erwählte, war bei P. Benno eigentlich eine Selbstverständlichkeit, da er selber anerkanntermaßen den „stile dolce“ schrieb und ein ungewöhnlich feines Sprachempfinden besaß. Seine Schüler prägten daher schon bald das Wort: „Admirabilis, sed non imitabilis.“ Den äußeren Anlass, sich mit seinem Lieblingsschriftsteller Cicero eingehender zu beschäftigen, gab die wissenschaftliche Arbeit, die P. Benno für den zweiten Abschnitt der Lehramtsprüfung (1891) einzureichen hatte: „De verborum mutuatorum et peregrinorum apud Ciceronem usu et compensatione“ (1892/93 als Beilage zum Jahresbericht des Gymnasiums Metten erschienen). Die daran sich anschließende Arbeit „Florilegium Cicerionum“ kam wegen Verlegerschwierigkeiten leider nie in die Öffentlichkeit. Nichtsdestoweniger setzte P. Benno mit unverdrossenem Benediktinerfleiß das Sammeln und „Verzetteln“ jahrelang fort; die Frucht davon ist neben einer umfangreichen Kartei mit viel tausend Phrasenzetteln ein weiteres Programm (1904): „Studien zur lateinischen Synonymik.“ Hier werden 14 frei ausgewählte Gruppen mit rd. 70 Wörtern auf das eingehendste untersucht, „die einer erneuten wissenschaftlichen Erörterung bedürftig erschienen.“ Wie sehr diese Studie von den Fachgenossen gewürdigt wurde, beweist die noch heute oft wiederholte Anfrage, ob nicht eine Fortsetzung erschienen ist. Nicht bloß bei den Schülern, die oft gar nicht genug darüber staunen konnten, dass man eine deutsche Phrase so einfach und doch so schön im Latein wiedergeben könne, auch in der Fachwelt galt P. Benno als der feinfühlige Latinist, der kaum seinesgleichen hatte. Kein Wunder, dass er auch von außen vielfach um lateinische Übersetzungen bei allen erdenklichen Gelegenheiten angegangen wurde, in und außerhalb der Klostermauern.
Ganz anderer Art war die Tätigkeit P. Bennos nach seinem Abschied von der Schule. infolge all der gesundheitlichen Störungen musste er länger auf jedwede ernstere Arbeit verzichten. Untätigkeit hielt er jedoch für die gefährlichste Krankheit, und deswegen stellte er sich völlig um und versuchte mit einer mehr mechanischen Tätigkeit wieder hoch zu kommen. Zu einer solchen fand er die Gelegenheit in der Stiftsbibliothek, deren Leitung er nach dem Tod des P. Bernhard Ponschab (+ 26. Oktober 1914) übernahm. Ein doppeltes Ziel erreichte P. Benno mit dieser neuen Arbeit: er wurde wieder arbeitsfroh und -fähig und vollendete zwei im Kloster längst gefühlte Desiderate, an deren Erfüllung sich der noch kränkere P. Bernhard nur mehr leise hatte wagen können. Erstens machte P. Benno den Prunksaal der Stiftsbibliothek endgültig von den unschönen und kunstwidrigen· Zwischenschränken frei, so dass der künstlerisch unendlich reich ausgestattete alte Bibliotheksaal jetzt in seiner ganzen Schönheit zur Geltung kommt. Freilich ahnt man kaum mehr, welche Arbeit und Findigkeit es P. Benno kostete, den Inhalt all dieser Schränke im Nebenraum der Bibliothek, dem eigentlichen Büchermagazin, ordnungsgemäß und übersichtlich unterzubringen. Das zweite Denkmal, das sich der Bibliothekar setzte, war der neue Bibliothekskatalog, den P. Bernhard nur mehr beginnen konnte. Es handelt sich zwar um keine eigentliche Neuanlage, aber der Katalog des P. Rupert Mittermüller (+ 10. Dezember 1893) war völlig unzulänglich geworden; die sich mehrenden Nachträge, und sie waren nicht wenig, störten schon längst jede Übersichtlichkeit und erschwerten die Benützung der Bibliothek aufs höchste. Außerdem war durch die neue Raumverteilung auch eine weitgehende Neunummerierung notwendig geworden. Heute sind die über 100.000 Bände der Bibliothek in musterhafter Ordnung aufgestellt und leicht auffindbar. Neben einem Zettelkatalog in 134 Schachteln·sind in 12 Foliobänden nun die Gesamtbestände nach Fach und Standort eingetragen, während der Sachkatalog jedem sofort sagt, was er für sein Arbeitsgebiet in der Stiftsbibliothek finden kann. In kaum zwei Jahren war P. Benno mit dieser Riesenarbeit fertig. Gleichzeitig mit der Kataloganlage besorgte P. Benno die deutsche Übersetzung für das Werk des berühmten Mailänder Franziskaner-Psychologen A. Gemelli „De Scrupulis“ unter dem Titel: „Psychasthenie und Skrupulosität“ (Pustet, Regensburg 1915) .Daneben setzte P. Benno seine Studien über die römischen Komödiendichter und vor allem über die Spätlateiner fort, bis schließlich Cicero vor den Spät- und Vulgärlateinern fast ganz in den Hintergrund trat. Ein besonderes Ziel hatte er dabei zunächst nicht im Auge, es war dem früheren Sprachvergleicher nur darum zu tun, das Mittelglied zwischen dem klassischen Latein und den romanischen Nationalsprachen, das Vulgärlatein, in seiner Entwicklung näher zu verfolgen.
Wenn P. Benno seine lateinischen Sprachvergleichungen vielleicht auch längere Zeit ohne festes Ziel betrieb, so folgte er schließlich doch gern den Einladungen von den verschiedensten Seiten, so besonders von seiten des Münchener Universitätsprofessors und langjährigen Freundes, des Herrn Geheimrats Dr. Carl Weyman, und machte sich an ein Werk, das innerhalb und außerhalb des Benediktinerordens schon längst ein unabweisbares Bedürfnis war: Die rein philologische Behandlung der Sprache in der Benediktinerregel und damit die Schaffung der Unterlagen für eine einwandfreie textkritische Ausgabe derselben. Endgültig entschloss sich P. Benno hierzu durch den Tod des unermüdlichen Mettener Regelforschers P. Edmund Schmidt (+ 21. Dezember 1916). Dabei hatte P. Benno einzig die Fortsetzung der Mettener Haustradition im Auge und damit auch den Ausbau der von P. Schmidt unternommenen Regelarbeit, dem anerkanntermaßen das Verdienst zukommt, als der erste auf die Doppelgestalt in der Textüberlieferung der Benediktinerregel hingewiesen zu haben.
Von Anfang an war sich P. Benno darüber klar, dass eine textkritische Ausgabe der Regel solange unmöglich bliebe, bis nicht ihr Latein, das besonders in gewissen Kapiteln stark vulgären Einschlag aufweist, bis ins Einzelnste untersucht und dessen Ursprünglichkeit klargelegt wäre. Mochten auch die verschiedenen Regelherausgeber der letzten Jahrzehnte, auch P. Schmidt nicht ausgenommen, an die Ursprünglichkeit der Vulgärformen glauben und darin nicht bloß „Verböserungen“ späterer Abschreiber sehen, so hat doch keiner, selbst Butler nicht, diese Vulgärformen in den Text seiner Regelausgabe aufgenommen, weil alle Herausgeber mehr oder weniger sich nur von praktischen Gründen leiten ließen und in erster Linie an das Vorlesen der Hegel in der klösterlichen Gemeinde dachten. Zu einer Regelausgabe um ihrer selbst willen konnte sich nur der Münchener Profossor Ed. Wölfflin entschließen (erschienen in der Teubneriana 1895). Leider tat er in der Wahl der Grundhandschrift einen Missgriff, der ihm insofern nachgesehen werden kann, als er in der Teubneriana die Regel nur als Specimen für Spätlatein vertreten wissen wollte und hierzu den Oxforder Text (Hatton Ms 48) wählte, der der älteste in der Überlieferung und für Vulgärlatein der typischste ist.
Bevor nun P. Benno an eine textkritische Ausgabe der Regel ging, wollte er zuerst möglichste Klarheit über deren Sprache schaffen und untersuchte daher Satz für Satz im Regeltext und in den für die Textgeschichte wichtigen Handschriften, wobei ihm die bereits vorliegenden Studien der bisherigen Regelforscher sehr zustatten kamen. Doch mussten deren Forschungsergebnisse da und dort noch nachgeprüft werden, da abgesehen von Wölfflin sich keiner derselben mit der sprachgeschichtlichen Seite des Regeltextes beschäftigt hatte. So sehr nun P. Benno auch zugab, dass der ursprüngliche Text in den meisten Fällen auf Grund der handschriftlichen Bezeugung, besonders des Sangallensis 914, hergestellt werden könne, so glaubte er doch in anderen Fällen, dass sprachgeschichtliche Gründe auch gegen die handschriftliche Bezeugung den Ausschlag zu geben hätten, wenigstens in den Fällen, wo die letztere zu wenig einheitlich war und sich eher aus der Willkür oder Verbesserungslust der Abschreiber ergab. Für P. Benno war die Hauptfrage in besonders strittigen Fällen die: „Was war Sprache und Stil des hl. Benedikt?“ Dass manche Variante trotz ihrer vulgärlateinischen Form und trotz mangelhafter handschriftlichen Erzeugung schon zum ursprünglichen Bestand gehört und Sprachgut des Verfassers ist, geht des öfteren schon aus dem Umstand hervor, dass dieselbe in Handschriften der beiden Textgruppen in gleicher oder ähnlicher Form vorkommt. Gerade in den Kapiteln, die mehr das praktische Leben betreffen, häufen sich solche Vulglärformen, weil eben die Ordensgemeinde des hl. Benedikt nicht zum geringeren Teil aus einfachen Leuten vom Land bestand. Freilich auch die stilistisch ungemein fein ausgearbeiteten und zitatenreichen Partien über das klösterliche Leben überhaupt weisen neben klassischen Formen auch nicht wenige spätlateinische auf. All diese Einzelheiten waren von den mehr handschriftlich eingestellten Regelforschern bisher noch kaum berücksichtigt worden. Es ist das Verdienst P. Bennos, nicht bloß für die Benediktinerwelt dadurch, dass er sich die Mühe nicht verdrießen ließ und nach dem Vorbild des philologischen Kommentars zur „Peregrinatio Aetheriae“ (Uppsala 1911) von Einar Löfstedt, ein ähnliches Werk über die Benediktinerregel herstellte. Das Werk ist erschienen unter dem Titel: „S. Benedicti Regula Monachorum“, herausgegeben und philologisch erklärt (440 S. in 8°. Verlag des Benediktinerstiftes Metten 1922). Als Text wurde der des Sangallensis 914 vorausgeschickt (34-83), woran sich der Kommentar Kapitel für Kapitel schließt. Beigegeben ist vor allem ein gutes Wortregister. Sind auch nicht alle Fragen restlos gelöst, so ist doch jetzt ein klares Bild über den Sprachcharakter der Benediktinerregel gegeben und damit auch über die Sprache des hl. Benedikt selber, der hierin eben ein Kind seiner Zeit war und der landläufigen Schriftsprache Rechnung trug. Neben den Erklärungen über die einzelnen sprachlichen Erscheinungen und reichlichen Belegen aus anderen Schriftstellern findet sich in diesem Kommentar natürlich auch eine Reihe von Erörterungen über Textvarianten in den verschiedenen Handschriften, wobei die Gründe genau gegeneinander abgewogen werden, warum gerade diese und nicht die andere in den Text selber aufgenommen werden muss, selbst wenn die handschriftliche Überlieferung dagegen zu sprechen scheint. Alle Handschriften der Regel, selbst die wichtigsten darunter, sind eben doch nur die Abschrift aus einem Mittelglied und unterlagen daher der Möglichkeit eines Irrtums oder Versehens auf seiten der Abschreiber, besonders wenn die Vorlage, wie wohl beim Aachener Exemplar, eine Unzialhandschrift war.
Da dieser Regelkommentar in der wissenschaftlichen Welt uneingeschränkte Anerkennung fand, wurde P. Benno von der Schriftleitung des Bonner „Florilegium Patristicum“ angegangen für diese Sammlung eine textkritische Ausgabe der Regel anzufertigen. Da P. Benno in seiner gewohnten Rücksicht auf andere der von Plenkers geplanten Ausgabe nicht vorgreifen wollte, entschloss er sich erst nach langem Zögern; Plenkers hatte ja ein weit ausgedehnteres handschriftliches Material zur Verfügung, da er vor etwa 30 Jahren größere Reisen, besonders nach Spanien, zu diesem Zwecke unternehmen konnte. Wie aber aus Plenkers bisherigen Veröffentlichungen hervorgeht, steht die spanische Überlieferung weit hinter der fränkisch-deutschen zurück, die vor allem im Sangallensis 914 bezeugt ist, auch hinter der gallisch-englischen, als deren hauptsächlichster Zeuge der Oxforder Kodex dasteht, ebenso der mit ihm verwandte Veroneser LII (saec. VIII/IX), der wohl in Burgund entstand, sowie der mit dem Oxforder fast gleichalterige Sangallensis 916. Immerhin unter suchte P. Benno noch einmal die sämtlichen in Deutschland vorhandenen Codices, wobei ihm das äußerst sorgfältige Kollationsmaterial des P. Edmund Schmidt von größtem Nutzen war. Ende Mai 1928 konnte P. Benno das Manuskript in den Druck geben, und ein paar Tage vor seinem Tod erlebte er noch als letzte Freude die ersten fertigen Exemplare. Die Ausgabe (S. Benedicti Regula Monasteriorum, edidit, prolegomenis, apparalu critico, notis instruxit Benno Linderbauer, Florilegium Patristicum, fasc. XVII, Bonn, P. Hanstein 1928) selber entspricht allen wissenschaftlichen Anforderungen und zeugt von sicher abwägendem Urteil und echt philologischer Genauigkeit. Ob Plenkers‘ kommende Ausgabe sie übertreffen wird, bleibt abzuwarten. Fast gleichzeitig mit dieser textkritischen Ausgabe erschien im Selbstverlag Metten P. Bennos deutsche Regelübersetzung nach dem kritischen Text, in der naturgemäß manche Abweichungen von den bisherigen Übersetzungen erscheinen. Die Vollendung des anderen Werkes, der Grammatik des Bibellateins, erlebte er leider nicht mehr. Auch zu diesem Werk entschloss sich P. Benno nicht aus eigenem Antrieb, so sehr er es auch seit vielen Jahren bedauerte, dass sich niemand an die Aufgabe machen wollte. Was in dieser Frage bisher erschienen war, ging über Sonderuntersuchungen oder über Kompendien nicht hinaus. Als das Drängen von vielen interessierten Kreisen, nicht zuletzt der Konfratres aus der bayerischen Benediktinerakademie, immer stärker wurde, fasste P. Benno den Entschluss, und diesem Werk galt die Arbeit seiner letzten Jahre, in die sich schon Todesahnen schlich.
Ähnlich wie die Benediktiner-Regel stellt auch das Latein der Bibel ein stark vulgär gefärbtes Spätlatein dar, nicht bloß in den ältesten lateinischen Bibelübersetzungen, die um 250 mehr oder minder in der sog. ltala, oder besser Vetus Latina, zusammenliefen, sondern auch in all den Teilen der Bibel, die Hieronymus von ungefähr 380 an auf Grund vorliegender Übersetzungen umarbeitete. Zum Verständnis der Bibelsprache und zur verlässigen Beurteilung der Lesearten in den verschiedenen Bibelhandschriften sowie auch zur Anlage eines kritischen Hieronymianischen Vulgatatextes ist daher die rein philologische Behandlung der lateinischen Bibelsprache, kurz gesagt, eine ausführliche und zuverlässige Grammatik von höchster Bedeutung. Darum kann es P. Benno nicht hoch genug angerechnet werden, dass er sein Wissen und seine Kraft in den Dienst dieser Sache stellte. Leider starb er, bevor er die Drucklegung seiner Forschungsergebnisse erlebte. Hätte er eher einen geeigneten Verleger gefunden, hätte er auch den Rest seines Manuskriptes noch druckreif gemacht. Der erste Band mit der Laut- und Formenlehre in 303 Paragraphen liegt in 467 Folioblättern fertig vor. Die weiteren rund 500 Folioblätter behandeln die Satzlehre des einfachen wie des zusammengesetzten Satzes und enthalten außerdem einen ausführlichen Anhang über die Fremdwörter, Gräzismen, Hebraismen und über den Bedeutungswandel. Auch dieser Teil ist fertig und bedarf hauptsächlich nur mehr der redaktionellen Durcharbeitung, allerdings auch noch der nötigen Indices. Gebe Gott, dass sich bald Mittel und Wege zur Drucklegung finden. Sonst sind nur die Vulgata-Beflissenen des Klosters Metten in der glücklichen Lage, sich im Manuskript ihres verstorbenen Mitbruders Auskunft über die Rätsel der lateinischen Bibelsprache zu holen.
Der Benediktinerakademie gehörte P. Benno bereits als Gründungsmitglied, d.h. seit 1921 an.

Michael Huber OSB. Metten