2004

P. Franz Seraph (Georg) Gressierer OSB (17. August 1916 – 17. August 2004)

Am 17. August 2004 verstarb P. Franz Seraph Georg Gressierer OSB aus der Abtei Scheyern, der Senior der Historischen Sektion der Bayerischen Benediktinerakademie, im Alter von genau 88 Jahren. Zwei Tage danach wurde er auf dem Klosterfriedhof in Scheyern bestattet. Seit 1981 hatte P. Franz Gressierer der Benediktinerakademie als ordentliches Mitglied angehört.
Der Verstorbene ist am 17. August 1916 in Rinding nahe Ebersberg geboren. Er wuchs mit sechs Geschwistern auf dem elterlichen Bauernhof auf. Seine Gymnasialausbildung in Scheyern und Freising schloss er 1937 mit der Reifeprüfung ab und trat nach dem damals üblichen Arbeitsdienst noch im selben Jahr in die Benediktinerabtei Scheyern ein, der er 67 Jahre lang, bis zu seinem Tod, die Treue hielt. Nach der Profess, die er am 11. November 1938 vor Abt Franz Seraph Schreyer OSB (1890-1968, Abt 1936-1961) abgelegt hat, absolvierte Frater Franz die philosophischen und theologischen Studien in Salzburg und Eichstätt. Am 21. März 1943 wurde er durch den Passauer Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB (1880-1971), ehedem Abt von Scheyern (1922-1936) und auch ein Mitglied der Bayerischen Benediktinerakademie, in Scheyern zum Priester geweiht.
Seinem Kloster hat P. Franz Gressierer auf vielen verschiedenen Arbeitsfeldern gedient: als Bibliothekar, Zeremoniar, Mitarbeiter des byzantinischen Instituts, Präfekt des Studienseminars, Magister, Seelsorger, Infirmar, Subprior, Prior, Pfarrer und Archivar. Die große Zahl verantwortungsvoller Aufgaben lässt erkennen, dass P. Franz vielseitig einzusetzen war und auf jedem Gebiet, das ihm anvertraut worden ist, solide Arbeit geleistet hat.
An dieser Stelle ist vor allem das Wirken von P. Franz Gressierer auf historisch-literarischem Gebiet zu würdigen, jenem Feld, welches zu bearbeiten der Historischen Sektion der Bayerischen Benediktinerakademie aufgetragen ist. Das Verdienst des Verstorbenen besteht in erster Linie darin, solide Voraussetzungen für die Verwirklichung forscherischer Ambitionen geschaffen und erhalten zu haben. Mehr als ein halbes Jahrhundert war er Bibliothekar seines Klosters. Wer die Scheyrer Klosterbibliothek in den vergangenen Jahrzehnten je benutzt hat, weiß, dass P. Franz dieses Amtes nicht nur mit großem Einsatz, sondern auch mit hoher Sachkunde gewaltet hat. Der Buchbestand ist in Scheyern, im Unterschied zu manch anderem Kloster, für die Benutzung bestens erschlossen. Was die Fortführung und Ergänzung des Bestandes angeht, war P. Franz nicht zuletzt auf die Beschaffung jener Neuerscheinungen von langfristiger Bedeutung bedacht, die einer Klosterbibliothek besonders angemessen sind, und er hat dabei viel erreicht.
Neben der Bibliothek war P. Franz fast vier Jahrzehnte auch das Archiv seines Klosters übertragen; von 1968 bis 1997 führte er gleichzeitig auch das Archiv der Bayerischen Benediktinerkongregation. Auf die archivarische Arbeit hatte sich P. Franz durch die Teilnahme an einem Lehrgang am Bayerischen Hauptstaatsarchiv München fundierte fachliche Voraussetzungen geschaffen. Diese Fachkompetenz des Archivars, gepaart mit großem Interesse für die Klostergeschichte, spiegelt sich heute im Zustand des Klosterarchivs Scheyern. Man wird weit Umschau halten müssen, um ein gleichwertig oder besser geführtes Klosterarchiv zu finden. P. Franz hat es sorgfältig gehütet, aber auch gern für ernsthafte Arbeit zugänglichgemacht. Mancher Forscher ist durch den Scheyrer Klosterarchivar auf wissenschaftlich weiterführende Wege gewiesen worden.
Das hohe Arbeitspensum, das P. Franz Gressierer auferlegt war, hat ihm wenig Zeit für eigene historische Forschungen und Publikationen gelassen. Trotz der starken Beanspruchung durch seine klösterlichen Aufgaben hat er eine Anzahl von Beiträgen veröffentlicht, was um so höher zu schätzen ist, als es ihm angesichts seines gründlichen und genauen Arbeitsstils fernlag, einen Gegenstand vorschnell abzuhandeln. Die Bayerische Benediktinerkongregation verdankt ihm für den Jubiläumsband der „Studien und Mitteilungen“ zum 300. Jahrestag der Errichtung der Kongregation 1984 exakte Listen der Teilnehmer der Generalkapitel dieser drei Jahrhunderte. Im Rahmen des Projekts der Bio-Bibliographie der deutschsprachigen Benediktiner besorgte P. Franz die Bearbeitung der Autoren, die zu Scheyern gehören. Daneben liegen mehrere Beiträge zu historischen Themen um das Kloster Scheyern vor. Sein wichtigstes literarisches Werk ist eine gründliche monographische Darstellung der Geschichte der Scheyrer Klosterbibliothek. Sie ist leider nur in relativ wenigen Exemplaren produziert worden, gibt aber doch beredtes Zeugnis von der Liebe des Autors zu seinem Kloster und dessen Bibliothek. Die Rotula des Klosters Scheyern charakterisiert P. Franz u. a. mit folgenden Worten: „In seiner monastischen Einstellung und Lebensweise und in seiner tiefgläubigen Frömmigkeit ist P. Franz sich stets treu geblieben. Mit seinem festen, uneigennützigen Willen und einer gewissen Hartnäckigkeit hat er in seinen vielfältigen Aufgabenbereichen viel erarbeitet und erreicht, immer zum Wohle anderer.“
Wer P. Franz begegnet ist, konnte einen zurückhaltenden, auf den ersten Blick scheu wirkenden Menschen erleben, der ohne Aufgeregtheit seinen Aufgaben nachgegangen ist und den klösterlichen Alltag wie selbstverständlich gelebt hat. Er hat sich nicht in den Vordergrund gedrängt und vielleicht gerade deshalb auch leitende Aufgaben so erfolgreich wahrgenommen. Er gehörte mit seiner Frömmigkeit und seinem Fleiß, mit seiner Kompetenz und seiner Bereitschaft zur ganzen Hingabe an die Sache zu jener Art von Mönchen, welche die Existenz von Klöstern tragen. Das ist nichts Geringes.
Leben und Wirken ihres verstorbenen ordentlichen Mitglieds P. Franz Gressierer gereichen auch der Bayerischen Benediktinerakademie zur Ehre.

Stephan Haering OSB, München/Metten