2015

 

Dr. phil., Dr. phil. h.c. Brigitte Degler-Spengler (5. April 1941 – 28. November 2015)

Am 28. November 2015 starb in Basel nach tapfer und ergeben ertragener schwerer Krankheit Frau Brigitte Degler-Spengler. Geboren wurde sie am 5. April 1941 in Neustrelitz in Mecklenburg. Die Familie Spengler erlebte den Krieg mit all seinen Schrecken. 1947 nahm sie Wohnsitz in Hauenstein in der Pfalz. Ihre Reifeprüfung legte Brigitte 1961 bei den Englischen Fräulein in Landau/Pfalz ab. Sie studierte hernach Geschichte und Germanistik in Freiburg i. Br. und Mainz und dann in Basel. Hier promovierte sie 1967 bei Prof. Albert Bruckner (1904–1985) mit einer Arbeit über „Das Klarissenkloster Gnadental in Basel 1289–1529“. 1965 hatte sie sich mit Hermann Degler verheiratet.
Auf Anregung verschiedener Schweizer Historiker fing der Einsiedler P. Rudolf Henggeler (1890–1971) an, eine neue „Helvetia Sacra“ im Alleingang zu erarbeiten, unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung. 1961 erschienen die ersten Faszikel, die bei der Kritik wegen grosser Mängel schlecht ankamen. Da dazu öffentliche Gelder beansprucht wurden, ging es hier nicht mehr nur um eine „private“ Angelegenheit. So bildete sich ein „Kuratorium zur Revision der Helvetia Sacra“, deren Leitung Prof. Bruckner anvertraut wurde. 1964 genehmigte der Nationalfonds das neue Konzept und vertraute es dem neu konstituierten „Kuratorium der Helvetia Sacra“ an. Das Gesamtprojekt sollte alle Bistümer, Kollegiatstifte, Orden, Klöster und Kongregationen der Schweiz samt Kurzbiographien der Amtsinhaber und Oberinnen enthalten. Bereits 1968 berief Bruckner die junge Historikerin Brigitte Degler in sein Redaktionsteam. Schon 1974 wurde ihr die Gesamtleitung der Redaktion anvertraut. Das neue Projekt sah neun Abteilungen vor, die detailliert geplant werden mussten. Für die Erarbeitung der verschiedenen kirchlichen Institutionen und Klöster der verschiedenen Abteilungen wurden weitere Redaktionsmitglieder angestellt, die die Konzepte der einzelnen Abteilungen entwerfen mussten. Zumeist schrieben diese dann auch die Einleitungen zu den betreffenden Bänden. Nun mussten geeignete Mitarbeitende für die einzelnen Bistümer, Klöster und Orden gesucht werden, die von den Redaktionsmitgliedern betreut und beraten wurden. Bei Werken mit mehreren Verfassern ergeben sich erfahrungsgemäss immer wieder Probleme infolge festgelegter, aber oft von den Autoren und Autorinnen nicht eingehaltener Abgabetermine. Verzögerungen waren unausweichlich. 1972 erschien der erste Band der ersten Abteilung: Kardinäle aus der Schweiz, die Nuntien und die beiden Bistümer Basel und Chur. Zwei Jahre später erschien der Doppelband der Kapuziner und Kapuzinerinnen. Damit waren die ersten Erfahrungen gemacht, die nun für das weitere Vorgehen bestimmend waren. Hinter allen kommenden Bänden stand nun Frau Degler-Spengler als leitende Redaktorin. Dass sie das ganze Unternehmen im Griff hatte, bezeugen die nun in regelmässigen Abständen erscheinenden weiteren Bände. Das Aufspüren von zuständigen Mitarbeitenden für die einzelnen Beiträge der verschiedenen Abteilungen, Verlagswechsel und dementsprechende Verhandlungen forderten Einiges von ihr ab. Je nach Ort und Verfasserschaft wurden die Beiträge in Deutsch, Französisch oder Italienisch publiziert.
Hier sei besonders auf die dritte Abteilung hingewiesen, die die Orden mit Benediktineregel umfasst. Deren 1. Band, 1986 in drei Teilbänden erschienen, umfasst die Benediktiner und Benediktinerinnen; ihnen vorangestellt sind die „Frühen Klöster“, die noch keiner bestimmten Regel angehörten. Frau Degler verfasste dazu die Einleitung zu den Benediktinerinnen. Es darf wohl gesagt werden, dass dieser umfangreichste Band (insgesamt 2150 Seiten!) wegen der insgesamt 50 Mitarbeitenden in organisatorischer Hinsicht viel Einsatz von den Redaktionsmitgliedern erforderte. Band 2 (1991) behandelt die Cluniazenser. Der 3. Band in zwei Teilbänden (1982) ist den Zisterziensern und Zisterzienserinnen, den reformierten Bernhardinerinnen, den Trappisten und Trappistinnen und den Wilhelmiten gewidmet. Auch wenn diese Bände unter einer anderen Redaktion liefen, so steht doch der grosse Einsatz von Frau Degler als Leiterin des Gesamtprojektes dahinter. Für die verschiedenen Abteilungen steuerte sie selber 29 kleinere und grössere Beiträge bei. Mit dem Erscheinen des über 800 Seiten umfassenden Registerbandes im Jahre 2007 fand das Riesenwerk mit insgesamt 28 bzw. (inkl. Teilbände) 34 Bänden den Abschluss. 2003 ging Frau Degler in Pension; sie hat jedoch bis zur Vollendung des Gesamtwerkes daran mitgearbeitet. In SMGB 117, 2006, S. 571–581, hatte sie die noch nicht vollendete „Helvetia Sacra“ vorgestellt.
Daneben beschäftigte sich Frau Degler-Spengler mit verschiedenen Forschungsarbeiten, die sie als grössere und kleinere Beiträge in Fachzeitschriften und Fachlexika publizierte; auch hielt sie Vorträge. Sie erwuchsen zumeist aus ihrer Arbeit bei der „Helvetia Sacra“ und ihrem Umfeld. Einige Aufsätze zu Frauenklöstern, Beginenhäusern und zum Eremitenwesen stechen hervor. Erwähnt sei hier lediglich: Die Entstehung des benediktinischen Anbetungsklosters Maria Rickenbach NW, Schweiz (SMGB 119, 2008, S. 405–478). Dazu kommen Rezensionen in Fachpublikationen. Ihre umfangreiche Bibliographie legt Zeugnis ab von ihrem Forschergeist und ihrer Schaffenskraft bis zuletzt. Ihren letzten kirchengeschichtlichen Beitrag steuerte sie bei zur „Geschichte des Landes Uri“, in Teil 2a. Die Vernissage am 1. Dezember dieses grossen Werkes, zur Hauptsache aus der Feder von Hans Stadler-Planzer, hat sie nicht mehr erlebt. Sie starb am 28. November 2015.
Die Philosophische Fakultät der Universität Freiburg/Schweiz verlieh im Jahre 1996 Frau Degler-Spengler die Ehrendoktorwürde für ihren Einsatz und ihre immense Arbeit auf dem Gebiete der Schweizerischen Kirchengeschichte. 2009 wurde sie in die Historische Sektion der Bayerischen Benediktinerakademie aufgenommen, was sie sehr gefreut hat. Gerne kam sie zu den Jahrestagungen.
Mit ihrem Tod hat die Schweizer Kirchengeschichte eine hervorragende Wissenschaftlerin verloren. Aber das von ihr geführte und organisierte Opus Magnum der „Helvetia Sacra“ bleibt mit ihrem Namen unvergesslich verbunden.

Lukas Schenker OSB, Mariastein

Prof. Dr. Achim Masser (12. Mai 1932 – 4. Oktober 2015)

Prof. Dr. phil. Joachim Wollasch (1. Februar 1931 – 8. August 2015)

Joachim Wollasch war am 1. Februar 1931 in Freiburg im Breisgau geboren und blieb seiner Heimatstadt zeitlebens eng verbunden. Die oberrheinische Herkunft in der Nachbarschaft zu Frankreich und die Verwurzelung in einem katholischen Elternhaus bestimmten den geistigen Horizont, den er in sein Studium der Geschichte, Germanistik und Romanistik einbrachte. Dabei lag eine glückliche Fügung darin, dass er an der Freiburger Universität auf Gerd Tellenbach traf, der in den 50er Jahren im Zenit seiner akademischen Wirksamkeit stand und unter dem Leitbegriff „Personenforschung“ in damals neuartiger Weise einen produktiven Arbeitskreis jüngerer Mediävisten um sich scharte. Hier entstand Wollaschs 1955 vorgelegte, aus französischen Archiven und Bibliotheken geschöpfte Dissertation über Ebbo I. von Déols und sein historisches Umfeld im 10. Jahrhundert, worin er Odo, den zweiten Abt von Cluny, aufspürte. Die Bedingungen des Aufstiegs der burgundischen Abtei traten also ganz früh schon in sein Blickfeld, denn gemäß der eigentümlichen Dialektik des prosopographischen Zugriffs führte ihn nicht anders als seine Kollegen die Personenforschung geradewegs von den Individuen zu den menschlichen Gemeinschaften: den Familien, Adelsgruppen und zumal den geistlichen Konventen, denen bald schon seine besondere Vorliebe galt. Das sollte ihm zum Lebensthema werden, denn wie viele andere Gelehrte auch ließ er fortan dort nicht mehr locker, wo er zuerst auf die Goldader der Erkenntnis gestoßen war.
Zur Mitgift der Tellenbach-Schule gehörte vor allem die Vertrautheit mit den aus liturgischer Praxis erwachsenen Gedenkbüchern, die spröde Listen von Personennamen in nicht leicht zu entschlüsselnden sozialen Zusammenhängen überliefern. Hier hat Wollasch von Freiburg und später von Münster aus, wo er von 1974 bis 1996 einen Lehrstuhl innehatte, Bedeutendes zur Quellenerschließung vollbracht. Seit der Identifizierung des mit fast 10000 Namen besonders ergiebigen Necrologs von Marcigny-sur-Loire und einem fruchtbaren Seitenblick auf die Memorialüberlieferung der frühen Zisterzienser bahnte er sich konsequent den Weg zu einer Rekonstruktion des verlorenen Necrologs von Cluny mittels erhaltener Totenbücher aus den abhängigen Klöstern. Das stolze Ergebnis war die 1982 publizierte „Synopse der cluniacensischen Necrologien“, die mit 96000 Namenbelegen für rund 48000 Verstorbene ein vielfach genaueres Bild als zuvor vom Beziehungsgeflecht Clunys zu seiner Blütezeit vermittelt und viele weitere Forschungen angeregt hat. Aber auch zentralen deutschen Quellenbeständen solcher Art sind Wollaschs Energie und Scharfsinn zugutegekommen. So war er maßgeblich an der Edition der Totenbücher von Merseburg, Magdeburg und Lüneburg, ferner des Martyrolog-Necrologs von St. Emmeram in Regensburg beteiligt und hat seinen Schüler Johannes Nospickel bei der Ausgabe des Necrologs von Kloster Michelsberg in Bamberg betreut. Als Herausgeber firmierte er schließlich bei der Facsimilie-Edition des Liber Vitae der Abtei Corvey.
Eng verknüpft mit diesem beharrlichen Bemühen um die kritische Darbietung der Überlieferung, wofür sich Wollasch zusammen mit Karl Schmid in dem Quellenwerk „Societas et Fraternitas“ den angemessenen Rahmen schuf, war eine Fülle von Fallstudien, die der Phänomenologie des Gedenkens im gesamten Mittelalter nachgingen. Zu nennen sind die Übersicht der frühen Zeugnisse von Memorialüberlieferung aus den Bodenseeklöstern Reichenau und St. Gallen sowie die Analyse des persönlichen Kalenders, den der Chronist Bernold von St. Blasien von eigener Hand hinterlassen hat. In der auf die Chronik Thietmars von Merseburg gestützten Untersuchung über den Gebetsbund der Dortmunder Synode von 1005 ging es zumal um den Gesichtspunkt der Dauerhaftigkeit, der sich besonders eindrucksvoll am Beispiel einer bis ins 20. Jahrhundert im Schwarzwaldort Buchenbach fortgeführten Jahrtagsstiftung für Kaiser Friedrich Barbarossa dartun ließ. Überhaupt war es das heimatliche Umfeld, das ihm immer wieder Gelegenheit zu Variationen seines Ansatzes bot. So hat er sich mit dem frühen Konvent des zähringischen Hausklosters St. Peter beschäftigt und mit dem Freiburger Heiliggeistspital, mehrfach auch mit den Abteien Hirsau und St. Blasien.
Alle diese Studien und viele weitere waren Mosaiksteine zu dem umfassenden Thema „Die mittelalterliche Lebensform der Verbrüderung“, der Wollasch 1980 eine grundsätzliche Betrachtung für die Zeit vom 8. bis zum 12. Jahrhundert gewidmet hat. Darin bezeichnete er Schriftform und Opfergabe als die konstitutiven Merkmale einer auf das ewige Heil jedes Beteiligten ausgerichteten Kultur der förmlichen Erinnerung, die Lebende und Verstorbene, Mönche, Kleriker und Laien verband und auch weite Entfernungen zu überwinden vermochte. Sehr bewusst hat Wollasch seit den 70er Jahren (und wohl kaum unbeeindruckt vom damaligen Zeitgeist) die sozial-karitative Funktion der Memorialpraxis frühmittelalterlicher Klöster und namentlich von Cluny hervorgekehrt. Am Anfang stand 1975 sein Aufsatz über „Gemeinschaftsbewußtsein und soziale Leistung im Mittelalter“, der erstmals den Blick freigab auf die Größenordnung der selbstgewählten Verpflichtung, für jeden verstorbenen Bruder, dessen Gedächtnis man beging, am jeweiligen Tag einen Armen zu verpflegen, was Tausenden zugutekam und auf die Dauer nicht durchzuhalten war. Dem engen Zusammenhang von Toten- und Armensorge im christlichen Denken seit Gregor d. Gr. ist er in einer langfristig angelegten Reflexion nachgegangen, die zudem die Brücke zum Spätmittelalter schlug, als städtische Bruderschaften das monastische Verhaltensmuster auf ihre Lebenswelt übertrugen. Zweimal ist er auch auf den Vater des abendländischen Mönchtums zu sprechen gekommen: Hatte er bereits 1982 den Erfolg der Regula Benedicti zum guten Teil mit der im 7. bis 9. Jahrhundert verbreiteten Vorstellung erklärt, es handle sich um eine Norm von römischer Autorität, so ließen ihn erst recht die in letzter Zeit angemeldeten Zweifel an der Historizität des allein durch die Dialoge Gregors d. Gr. der Nachwelt vermittelten Mönchsvaters 2007 zur Feder greifen mit dem Ziel, soviel wie möglich aus dem Kontext der Wunderberichte in sonstigen Quellen abzusichern.
Bei aller Vorliebe für die subtile Analyse der Quellen hat Wollasch doch stets auch das Erfordernis gesehen, zusammenfassend der monastischen Welt des Mittelalters gerecht zu werden. Er hat dazu einzelne Beiträge systematischen Zuschnitts vorgelegt, so etwa über das Mönchsgelübde als Opfer, über die Erziehung von Kindern in Klöstern, über die Rolle von Nonnenkonventen in der Cluniacensis ecclesia oder über die originelle Frage, welche Aspekte benediktinischen Lebens sich durchgesetzt haben, ohne in der Regula verankert zu sein. In der New Cambridge Medieval History hat er eine hierzulande zu wenig rezipierte Gesamtübersicht der Geschichte des Mönchtums im 10. Jahrhundert gegeben. Trotz des Titels „Mönchtum des Mittelalters zwischen Kirche und Welt“ war dagegen die 1973 publizierte Habilitationsschrift keine Synthese, sondern bewusst darauf ausgerichtet, mehr fruchtbare Fragen zu stellen als bündige Antworten bereitzuhalten. Umso dankbarer wurde es allgemein begrüßt, dass Wollasch am Ende seiner Lehrtätigkeit das Buch „Cluny – Licht der Welt. Aufstieg und Niedergang der klösterlichen Gemeinschaft“ (1996) herausbrachte, das den Weg der berühmtesten Abtei des Mittelalters von ihren Anfängen bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts vor Augen führt und von der jahrzehntelangen Forschungserfahrung des Autors wie auch nicht wenigen Arbeiten seiner Schüler lebt. Es wird mittlerweile in 4. Auflage und längst auch als Taschenbuch vertrieben.
Joachim Wollasch, der nach seiner Emeritierung wieder nach Freiburg gezogen war und sich oft und gern an der Bayerischen Benediktiner-Akademie beteiligte, hat bis über den 80. Geburtstag hinaus wissenschaftlich arbeiten können. Sein im März 2015 erschienener jüngster Aufsatz „Formen und Inhalte mittelalterlicher memoria“ (in: Libri Vitae. Gebetsgedenken in der Gesellschaft des Frühen Mittelalters, hg. von D. Geuenich/U. Ludwig, Köln u.a. 2015, S. 33–55) ist zum Vermächtnis geworden, denn am 8. August 2015 ist er in Illingen, wo er zuletzt gepflegt wurde, verstorben. R. I. P.
Rudolf Schieffer, Bonn

Dr. phil. M. Agape Gensbaur OSB (23. Februar 1922 – 5. Juli 2015)

M. Agape Gensbaur wurde als Helene (Hella) Gensbaur am 23.2.1922 in Kladno bei Prag geboren. Die Herkunftsfamilie zeigt ein für das damalige Böhmen typisches Gemisch: Die Mutter, Pianistin mit italienischen Wurzeln, der Vater, Ingenieur mit Wiener und Südtiroler Herkunft. Hella Gensbaur entschied sich nach der Matura für das Studium der Musikwissenschaft, Germanistik und Kunstgeschichte. Ihre Promotion bei dem Musikwissenschaftler Prof. Gustav Becking (23.4.1945) – es war die vorletzte Promotion an der Deutschen Karlsuniversität in Prag – trug den Titel Die rhythmische Gestaltung in Beethovens Briefen. Krieg, Internierung und Vertreibung aus der Tschechoslowakei sollten sie als Wunde, und zugleich als Impuls zur Versöhnung, ein Leben lang begleiten. Auf ihrer Suche nach Neuorientierung in Deutschland wurde sie zunächst 1953 Oblatin in Beuron, bevor sie 1957 in die Kommunität Venio eintrat. 1962 legte sie die Ewige Profess ab und war von 1973 (4.2.1973) – 1993 (9.9.1993) die zweite Priorin der Gemeinschaft nach der Gründerin, M. Agnes Johannes.
Bis 1963 arbeitete Sr. Agape als Musikreferentin an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. In der Gemeinschaft bekleidete sie u. a. das Amt der Magistra, war mit verantwortlich für die Erneuerung des monastischen Lebens nach dem Zweiten Vatikanum, insbesondere die Einführung der Muttersprache in das Offizium. Sie war u.a. Mitglied des Vorstandes der VBD (Vereinigung der Benediktinerinnen im deutschsprachigen Raum) sowie in verschiedensten Gremien der Diözese. Die Anerkennung der Kommunität Venio als Ordensinstitut bischöflichen Rechts durch Rom (1992) hatte sie maßgeblich vorangetrieben. Die Gründung in Prag (2007) begleitete sie mit viel Engagement und Gebet; dass im Venio wieder in tschechischer Sprache gebetet wurde, erfüllte sie mit großer Dankbarkeit und Freude. Als Musikwissenschaftlerin engagierte sie sich im Rahmen der BBA für die kulturelle Seite im benediktinischen Leben. Aus ihrer langjährigen Erfahrung als Priorin heraus brachte sie pastoraltheologische Vorschläge ein und diskutierte gerne aktuelle Themen im Spannungsfeld von Kirche und Welt. Ein großes Anliegen war es ihr, jüngere Benediktiner und Benediktinerinnen für die BBA zu gewinnen.
Abschließend soll sie selbst zu Wort kommen. Am Ende der Internierung 1945 schreibt sie: „Sollte ich mir in meinem Leben noch einmal etwas wünschen dürfen, so wäre es: Ich möchte ein Leben führen, in dem ich Gott preisen kann.“ Später hat sie dem hinzugefügt: „Wie ist das in Erfüllung gegangen!!“
Am 5. Juli 2016 – dem Tag, an dem in Böhmen der Heiligen Kyrill und Method gedacht wird – hat sie ihr Leben in die Hände des Herrn zurückgegeben. Requiescat in Pace.
Äbtissin Carmen Tatschmurat, Abtei Venio

Prof. Dr. phil. Klaus Schreiner (22. April 1931 – 28. Juni 2015)

Klaus Schreiner wurde im Norden von Baden-Württemberg in Jagstfeld am 22. April 1931 als Sohn des Sekretärs einer christlichen Gewerkschaft in Württemberg geboren. Kurz nach seiner Geburt schloss sich seine Geburtsstadt mit dem benachbarten Bad Friedrichshall zu der heutigen Gesamtgemeinde zusammen. Damit war Schreiner ein Sohn des vom Weinbau geprägten Heilbronner Raums. Sein Vater hatte durch den Beginn der nationalsozialistischen Diktatur seinen Arbeitsplatz verloren, weil er sich nicht mit der Deutschen Arbeitsfront arrangierte. Damit hat Schreiner schon in früher Jugend nicht nur die Härte des nationalsozialistischen Unrechtsregimes zu spüren bekommen, sondern hat auch das lebende Beispiel vor Augen gehabt, dass man im Leben nicht immer Kompromisse schließen kann und muss. Er hat auch als Katholik seine gesamte Jugendzeit im überwiegend evangelischen Unterland verbracht. Dort hat er seine Schulbildung im Sommer 1950 mit dem Abitur in Heilbronn abgeschlossen.
Im Anschluss begann er im Wintersemester 1951/1952 sein Studium der Fächer Geschichte, Historische Hilfswissenschaften, katholische Theologie und lateinische Philologie an den Universitäten Tübingen und München, das er mit dem Sommersemester 1958 abschloss. Er war nach Tübingen gekommen, als dort noch Heinrich Dannenbauer auf dem mittelalterlichen Lehrstuhl saß und neben ihm Otto Herding als außerordentlicher Professor für Landesgeschichte und Historische Hilfswissenschaften lehrte. Während Schreiners Studienzeit hat letzterer 1954 das „Institut für geschichtliche Landeskunde und historische Hilfswissenschaften“ errichtet, das neben die drei bestehenden Seminare des Faches „Geschichte“ für die Epochen alte, mittelalterliche und neuere Geschichte trat. Schreiner hat sich nach seinem Studienabschluss diesem Institut und seinem 1956 neu berufenen Leiter, Professor Dr. Hansmartin Decker-Hauff, als akademischem Lehrer zugewandt und unter dessen Leitung die Dissertation „Sozial- und standesgeschichtliche Untersuchungen zu den Benediktinerkonventen im östlichen Schwarzwald“ angefertigt. Nach der Promotion im Jahre 1961 hat Hansmartin Decker-Hauff seinem Schüler die akademische Laufbahn in seinem Institut eröffnet. Als Wissenschaftlicher Assistent begann er dort im Jahr seiner Promotion seine weitere Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität Tübingen. Diese Entscheidung seines Lehrers wurde durch die hervorragenden Besprechungen von Schreiners Dissertation nach ihrer Drucklegung 1964 bei der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg bestätigt. Es folgte 1968 die Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen auf Grund des Werkes „‛De nobilitate’. Begriff, Ethos und Selbstverständnis des Adels im Spiegel spätmittelalterlicher Adelstraktate“, das leider ungedruckt geblieben ist.
In der Thematik dieser Arbeiten zeigen sich bereits Themen, die Schreiner in seinen weiteren Forschungen immer wieder aufgegriffen hat. Er wurde unmittelbar nach seiner Habilitation Universitätsdozent und setzte seine Lehr- und Forschungstätigkeit am „Institut für geschichtliche Landeskunde und historische Hilfswissenschaften“ in Tübingen fort. Es folgte 1973 die Ernennung zum außerplanmäßigen (apl.) Professor und zum stellvertretenden Direktor des Instituts. Im Wintersemester 1975/1976 nahm er den an ihn ergangenen Ruf auf den Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte und Geschichte des Mittelalters an der Universität Bielefeld an. Er behielt diesen Lehrstuhl bis zu seiner Emeritierung 1996 bei. Obwohl er durch seine zahlreichen Untersuchungen zum südwestdeutschen Raum für die Nachfolge seines akademischen Lehrers Decker-Hauff bestens vorbereitet war und die Universität Tübingen ihm 1982 auch den Ruf auf diesen Lehrstuhl erteilte, hat er denselben abgelehnt und ist in Bielefeld geblieben.
Klaus Schreiner ist mit seiner Emeritierung 1996 aber keineswegs in den Ruhestand gegangen. Im Sommersemester 1999 nahm er als Gastprofessor die Otto-von-Freising-Professur an der Katholischen Universität Eichstätt wahr und verlegte 2001 seinen Wohnsitz von Bielefeld in das ihm seit Studienzeiten vertraute München, das sein weiterer Wohn- und Wirkungsort wurde. In München ist er auch am 28. Juni 2015 verstorben.
Klaus Schreiber hat sich immer den vielfältigen Anforderungen an beamtete Gelehrte unterzogen. So war er Fachgutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung für mittelalterliche Themen. Seiner Tätigkeit blieben auch offizielle Anerkennungen nicht versagt: Er war Stipendiat des Historischen Kollegs in München (1987/1988), erhielt ein Akademiestipendium der Volkswagen-Stiftung (1991), war Fellow des Wissenschaftskollegs in Berlin (1993/1994), Fellow des Institute for Advanced Study in Princeton (1995/1996) und ordentliches Mitglied der Historischen Kommission für Westfalen (1986) sowie korrespondierendes Mitglied derselben Kommission (2006). Auch erhielt er für seine Verdienste bei der Erforschung der Geschichte Oberschwabens den „Friedrich Schiedel Wissenschaftspreis für die Geschichte Oberschwabens“ (2003).
Klaus Schreiner hat seine Lehr- und Forschungstätigkeit aus der Landesgeschichte heraus begonnen und war dadurch im Unterschied zu vielen Historikern seiner Generation von Anfang seiner wissenschaftlichen Karriere an bereiter, Grenzen seines unmittelbaren Forschungsbereichs und dessen Zeitansatzes zu überschreiten und sich auf neue Gebiete einzulassen. Er hat als akademischer Lehrer u.a. die Historiker Jörg Rogge, Gabriela Signori und Gerd Schwerhoff entscheidend gefördert und in ihrer wissenschaftlichen Entwicklung begleitet. Klaus Schreiner hat in den mehr als fünf Jahrzehnten seines Wissenschaftlerlebens mehrere hundert Bücher und Beiträge verfasst. Insbesondere in seinen Wirkungsjahren in Bielefeld hat er zu fast allen Bereichen der mittelalterlichen Geschichte publiziert und gewichtige Beiträge vorgelegt. Immer wieder hat er sich dabei der Geschichte des Mönchtums zugewandt, mit der er die Bühne der Geschichtswissenschaft betreten hatte. Seine Mitwirkung an dem 1991 zur Geschichte des Klosters Hirsau erschienenen Bandes bleibt ebenso unvergessen als ein Höhepunkt zur Erforschung der südwestdeutschen Geschichte des Benediktinerordens wie sein Einleitungsbeitrag über das Benediktinische Mönchtum in der Geschichte Südwestdeutschlands im Band „Baden-Württemberg“ der Germania Benedictina samt den zahlreichen Einzelbeiträgen in diesem Band (1975, 2. Aufl. 1987). Man kann hier auch den Beitrag „Kann Wissenschaft in einem Kloster des 20. Jahrhunderts Wissenschaft an der Universität ergänzen?“ in den „Studien und Mitteilungen“ 102 (1991) erwähnen und in derselben Zeitschrift den Beitrag „Qualis debeat abbas esse“ über den Zusammenhang zwischen der mittelalterlichen Abtherrschaft und ihren zahlreichen Ausdrucksformen (117 [2006]). Er hat sich aber auch der Begriffs- und Mentalitätsgeschichte, der Bildungsgeschichte, der Geschichtsschreibung, der Hagiographie, der historischen Ikonographie und sogar der Rezeption des Mittelalters in der Moderne gewidmet.
Die Arbeiten von Klaus Schreiner haben die deutsche Mediävistik reicher gemacht und sein künftiges Schweigen ist ein großer Verlust für das gesamte Fach. Insbesondere die Kloster- und Ordensforschung wird den gelehrten Fachmann vermissen, der in zahlreichen Beiträgen immer wieder bis in die letzten Monate seines Lebens zu dieser Thematik publiziert hat. Er hat sich dabei auch der Marienverehrung in ihren kunstgeschichtlichen, soziologischen und politischen Aspekten (Maria. Leben, Legenden, Symbole, München 2003) gewidmet und diese damit für eine breite Öffentlichkeit weiter erschlossen. In beiden Themenkreisen zeigt sich die Entwicklung des aus einer katholischen Familie stammenden Gelehrten.
Damit schließt der irdische Teil des Berichtes zum „liber scriptum proferetur“ nach dem „Dies irae, dies illa“ des Requiems. Wenn man sich nach 48 Jahren von einem älteren Kollegen verabschiedet, der einen selbst bei den ersten Schritten im Fach begleitet hat, wird einem wieder einmal die Endlichkeit des irdischen Lebens und all seiner Karrieren vor Augen geführt. Man erinnert sich aber dabei erneut der zahlreichen, die Religiosität in vielen Einzelheiten vor Augen führenden Untersuchungen des feinsinnigen, immer bescheiden gebliebenen Gelehrten, die einen tiefer und tiefer in dieses Feld geführt und begleitet haben. Nicht nur das Fach, sondern auch man selbst wird den Menschen Klaus Schreiner in Zukunft immer wieder vermissen. Requiescat in pace.

Immo Eberl, Tübingen