1997

Dr. Heinz-Joachim Schulze (18. Juli 1926 – 15. November 1997)

Am 15. November 1997 starb nach längerer schwerer Krankheit der ehemalige Direktor des Niedersächsischen Staatsarchivs Stade, Dr. Heinz-Joachim Schulze, im Alter von 71 Jahren. Am 18. Juli 1926 ist H.-J. Schulze in Quedlinburg geboren und wuchs in einem evangelischen Elternhaus auf. Studium und erste Berufsjahre führten ihn nach Berlin, wo er seine Laufbahn in der Akademie der Wissenschaften begann. Wegen unvereinbarer politischer Auffassungen wechselte er bald in den Niedersächsischen Archivdienst. Oldenburg und schließlich Stade waren seine Dienststellen. Persönliches Leid brachte ihm der frühe Tod seiner Gattin und seines ältesten Sohnes. In Stade fand er den Weg in die katholische Kirche, wo er seit langem ein aktives Mitglied der lebendigen Diasporapfarrei gewesen ist.
Dr. Schulze war der erste, der die Aktivitäten der Germania Benedictina in Norddeutschland freudig begrüßte und seine Mitarbeit nicht nur versprach, sondern auch für die Bände VI, XI und XII gehalten hat. Er hat dabei – den Spuren Hermann Tüchles folgend – die Geschichte der einzigen Erzabtei des alten Reiches (Harsefeld) sowie die der Frauenklöster Zeven, Buxtehude, Neukloster und Himmelspforten erforscht, deren Existenz bis zum Jahre 1650 ein Ruhmesblatt unseres Ordens ist. Als Leiter des Staatsarchivs Stade gab er das „Stader Jahrbuch“ heraus. In der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen übte er als Mitglied des Vorstandes wesentlichen Einfluss aus. Die beiden stattlichen Bände über die Geschichte des Landes zwischen Weser und Elbe sind sein eigentliches wissenschaftliches Lebenswerk.
Seit 1989 gehörte er der Historischen Sektion unserer Akademie an. Viele lernten ihn bei unseren Jahrestagungen schätzen. Der große Freund des schwäbischen Barocks wäre nur zu gern noch 1997 nach Weingarten gekommen. Eine fortschreitende Herzschwäche erlaubte ihm dies nicht. Vor unserer Ottobeurer Tagung telefonierte er mit mir und meinte, dass er im nächsten Jahr in Neresheim dabei sein wolle, wenn seine Genesung weiterhin voranschreite. Das ist ihm nicht vergönnt. Heinz-Joachim Schulze, dem die Akademie großen Dank für seine Mitarbeit schuldet, wurde in Stade unter großer Anteilnahme zu Grabe getragen. R.I.P.

Ulrich Faust OSB, Ottobeuren

P. Prof. DDr. Friedrich Hermann OSB (30. August 1913 – 26. März 1997)

Wenige Tage nach einem Schlaganfall verstarb am 26. März 1997 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg der emeritierte Universitätsprofessor der Kirchengeschichte P. DDr. Friedrich Hermann von der Erzabtei St. Peter. Beim feierlichen Begräbnisgottesdienst am 1. April in der Stiftskirche waren zwei Bischöfe, sechs Äbte und eine große Zahl von Kollegen, Freunden und Bekannten des langjährigen Kirchenrektors von St. Michael zugegen. Der scheidende Erzabt Franz Bachler zeichnete in bewegten Worten das Leben seines Mitschülers und späteren Mitbruders.
Karl Hermann war am 30. August 1913 in Jamnitz in der mährischen Diözese Olmütz geboren worden. Bei seinen Eltern in Wien wuchs er zusammen mit einem Bruder und einer Schwester auf. Die Pfarrei Wien-Dornbachwar seit Jahrhunderten dem Salzburger Stift St. Peter inkorporiert. Während seiner Volksschulzeit in Dornbach kam er über die dortige Pfarrei in Kontakt mit den Patres von St. Peter, die ihn zur Erziehung im Konvikt ihres Klosters empfahlen. Als St. Peterer Konviktler besuchte er das fürsterzbischöfliche Privatgymnasium Borromäum in Salzburg und erlangte 1932 die Matura. Im gleichen Jahr trat er in die Erzabtei St. Peter ein und erhielt den Ordensnamen Friedrich. Am 24. September 1936 band er sich in der feierlichen Profess für immer an sein Kloster und wurde am 26. März 1939 in der Pfarrkirche Wien-Dornbach zum Priester geweiht. Seine theologischen Studien absolvierte er in Salzburg, Innsbruck und Wien. Anschließend studierte er Geschichte und Geographie für das Lehramt und wurde in Innsbruck 1942 zum Doktor der Philosophie promoviert. Danach besuchte P. Friedrich das Institut für österreichische Geschichtsforschung in Wien. Seelsorgerlich betätigte er sich zu dieser Zeit als Kaplan in der Pfarre St. Florian in Matzleinsdorf. 1945 kehrte er in die von den Nationalsozialisten aufgehobene und nun restituierte Erzabtei St. Peter zurück. In Salzburg erwarb er 1948 das Doktorat der Theologie. Erzabt Dr. Jakobus Reimer ernannte ihn zum Bibliothekar und Archivar. Die einmaligen Sammlungen von St. Peter betreute P. Friedrich fast ein halbes Jahrhundert lang bis zu seinem Tod. Nach erfolgter Habilitation im Fach Kirchengeschichte am 17. Juli 1951 wirkte er zunächst als Dozent an der Theologischen Fakultät, ab 1959 als ao. Professor und ab 1967 als o. Professor an der neu errichteten Universität Salzburg. In dieser Funktion war er Nachfolger seines Mitbruders P. Maurus Schellhorn, da die Professur für Kirchengeschichte aufgrund eines Vertrages zwischen dem Erzbischof, der Theologischen Fakultät und der Benediktinerkonföderation vom 7. Dezember 1946 eine benediktinische Lehrkanzel ist. Dass P. Friedrich als akademischer Lehrer und als Mensch geschätzt war, dafür zeugt die große Zahl von Studenten, die bei ihm die Zulassungsarbeit oder eine Dissertation einreichten. Im Studienjahr 1968/69 leitete er die theologische Fakultät als Dekan. An der Salzburger Landeskunde wirkte er als Ausschussmitglied.
Aus Anlass des 1200-Jahr-Jubiläums hielt P. Friedrich 1964 einen Festvortrag im Kaisersaal von Ottobeuren. Anschließend wurde er in die Bayerische Benediktinerakademie aufgenommen. In den 33 Jahren seiner Mitgliedschaft hat er aktiven Anteil an unseren Projekten genommen. Was er in unserer Zeitschrift „Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens“, deren Redaktion er durch 15 Jahre angehörte, veröffentlicht hat, ist in der „Bibliographie der deutschsprachigen Benediktiner“ (Band 1, S. 287 f.) leicht feststellbar. Wichtige Arbeiten blieben durch die Ungunst der Nachkriegsjahre ungedruckt. Dazu gehören seine philosophische Dissertation über das Begräbnis- und Präzedenzrecht von St. Peter (1938), seine 1941 eingereichte Arbeit am Institut für österreichische Geschichtsforschung über das Urbar des Klosters St. Peter von ca. 1365, seine theologische Dissertation von 1947 über Abt Domenikus Hagenauer und seine Habilitationsschrift von 1949 über die Gründung der Salzburger Universität (1635), die allerdings manchem Festschriftenartikel anderer Autoren die Mühen archivalischer Forschung ersparte. Auch in den letzten Jahren hat P. Friedrich unermüdlich für die Projekte unserer Akademie gearbeitet. Etwa zehn seiner Arbeiten – darunter die ausführliche Geschichte der beiden Salzburger Benediktinerkongregationen und die Geschichte der Kinderfreundbenediktiner – harren noch der Veröffentlichung (Germania Benedictina I und Austria Benedictina), weil säumige Beiträger bisher den Druck verhinderten. Der gerade erschienene erste Band seiner Geschichte der Erzabtei St. Peter wird mit einem zweiten Band aus dem Nachlass die mittelalterliche Geschichte seines Klosters abschließen. Die Geschichte von St. Peter und der Benediktineruniversität standen für den Salzburger Benediktiner immer im Mittelpunkt.
Mit 70 Jahren wurde der o. Universitätsprofessor 1983 emeritiert. Zuvor wollte er seine Nachfolge im Sinne der Verträge regeln. Die Salzburger Äbtekonferenz konnte einen Benediktiner präsentieren, dessen Habilitation der Umschreibung seines Lehrstuhles – die gesamte Kirchengeschichte und Patrologie – entsprach. Der damalige Dekan der theologischen Fakultät, Dominikanerpater Schmölz, weigerte sich jedoch, den Panzerschrank zu öffnen und den Vertrag zur Kenntnis zu nehmen. Generalstabsmäßig hatte er die Durchsetzung eines nichtbenediktinischen Kandidaten geplant und erreicht. Solchen Machenschaften, die einen eindeutigen Rechtsbruch bedeuteten, war P. Friedrich nicht gewachsen. Die Folge war ein allmähliches Schwinden benediktinischer Präsenz an der Salzburger theologischen Fakultät, das P. Friedrich mit Bedauern zur Kenntnis nahm.
Um sein Kloster, um die monastischen Studien und die Projekte unserer Akademie hat sich der St. Peterer Benediktiner P. Friedrich Hermann aufs höchste verdient gemacht. RIP.

Ulrich Faust OSB, Ottobeuren

Dr. Rupert Amschwand OSB (7. November 1916 – 7. Februar 1997)

Am 7. Februar 1997 ging für P. Rupert die lange Leidenszeit einer dunklen Nacht zu Ende. Die unheimliche Alzheimer Krankheit hatte sich durch Jahre hingezogen und schließlich jeden Kontakt mit der Umwelt total verwehrt. Josef Amschwand kam am 17. November 1916 in der Klusen, einem schönen Heimwesen in Wisserlen bei Kerns zur Welt. Zusammen mit fünf Geschwistern erlebte er hier eine wohlbehütete Jugendzeit. Josef wollte Priester werden und besuchte als externer Schüler das Benediktinerkollegium in Samen. Er war ein eifriger und aufmerksamer Schüler und wurde besonders von P. Bruno Wilhelm, einem belesenen Österreicher, den es nach der Auflösung des Benediktinerpriorates von Volders (Tirol) ins Kloster Muri-Gries und nach Samen verschlagen hatte, gefördert.
1937 trat Josef Amschwand in Muri-Gries bei Bozen ins Noviziat ein und kehrte ein Jahr darauf als Fr. Rupert nach Samen zurück, um dort das Gymnasium mit der Matura abzuschließen. Das Theologiestudium persolvierte er in Einsiedeln, wo er 1944 zum Priester geweiht wurde. Nach dreijähriger Probezeit als Lehrer an der Unterstufe kam er zum Geschichtsstudium nach Freiburg. Unter der aufmerksamen Leitung Oskar Vasellas entstand seine vielbeachtete Dissertation „Abt Adalbert Regli und die Aufhebung des Klosters Muri“ (Samen 1956).
Im Herbst 1953 nahm er den Unterricht in Samen wieder auf, jetzt als Geschichtslehrer auf der Oberstufe. P. Rupert legte großen Wert auf Übersichten und Zusammenhänge. Schon früh wagte er den Mut zur Lücke, indem er bestimmte Perioden fast nur in Stichworten behandelte. Umgekehrt hatte er wieder Mühe, von bestimmten Themen wegzukommen; denn immer mehr trug er die Themen privater Studien in den Geschichtsunterricht hinein. Besonders die Hinwendung zur Lokalgeschichte brachte es mit sich, dass sich P. Rupert zusehends der Schule entfremdete. Er hatte auch nicht mehr die eiserne Kraft, Schüler, die in provozierender Pose zu ihm herabschauten, mitzureißen. So pflegte er nun intensiver pastorale und humanitäre Belange: Rat und Trost spenden, Kranke besuchen und Trauernde trösten. Mit bewundernswerter Hingabe betreute er durch viele Jahre die Schwerhörigen Obwaldens.
Ruperts Hauptverdienste liegen auf dem Gebiet der Forschung. P. Bruno Wilhelm, sein Mentor, hatte den jungen Mitbruder angeregt, aus privater Initiative zu sammeln und zu forschen. P. Rupert erwarb sich eine subtile Kenntnis des Obwaldner Dichters Heinrich Federer. In der Verehrung Federers stand P. Rupert seinem Mitbruder, dem Federer-Spezialisten Sigisbert Frick, nicht nach, doch war er im Urteil und in der Propaganda zurückhaltender. Durch fleißiges Studium wurde Rupert Amschwand auch ein versierter Kenner der Obwaldner Geschichte. In den jungen Mönchsjahren begann auch seine Bruder-Klaus-Forschung. Die Heiligsprechung des Landesvaters (1947) hatte ihn dazu mächtig motiviert. Er studierte mit gewissenhafter Gründlichkeit Robert Durrers zweibändiges Quellenwerk und sammelte von da an historisch, biographisch und literarisch alles, was sich auf Niklaus von Flüe bezog. Das war die Grundlage für Ruperts größte historische Arbeit. Es ist der Ergänzungsband zum Quellenwerk von Robert Durrer. Die Obwaldner Regierung edierte dieses imposante Werk, den „Bruder Klaus III.“, zum 500. Todestag des Landespatrons. Diese große Leistung fand in der Verleihung des Innerschweizerischen Kulturpreises eine verdiente Würdigung. Das war neben der Ernennung zum Mitglied der Historischen Sektion der Bayerischen Benediktinerakademie (1983) eine wohlverdiente offizielle Würdigung seines Schaffens.
Als er 1989 den Innerschweizer Kulturpreis entgegennehmen konnte, war die zerstörende Krankheit schon merklich fortgeschritten. Der Fortgang dieser unheimlichen Krankheit war für alle, die ihm nahestanden, ein schmerzliches Erlebnis. So drastisch wird die Hinfälligkeit menschlicher Kraft selten erfahren. Nun ist er durch einen langen, finsteren Tunnel zum Licht gelangt, er, der in guten Jahren so vielen armen und gebrechlichen Menschen selber Licht sein wollte.

Leo Ettlin OSB, Sarnen