2020

P. Dr. Odo Lang OSB (30 März 1938 – 5. Dezember 2020)

P. Odo kam am 30. März 1938 als lang ersehntes Kind der Eltern Othmar und Mathilde Lang-Kyburz in Aarau zur Welt. Fünf Tage später wurde er in der dortigen Kirche St. Peter und Paul auf den Namen Josef Othmar getauft. Er hatte zwei ältere Stiefgeschwister, welche das Ehepaar Lang-Kyburz aufgrund des bislang unerfüllten Kinderwunsches adoptiert hatte. Josef verbrachte bei seinen Eltern in Schönenwerd im Kanton Solothurn eine schöne und behütete Kindheit, wofür er sehr dankbar war: „Ich kann Gott nicht genug danken, dass er mir so gute Eltern gegeben hat“, notierte er als Zwanzigjähriger. In Schönenwerd besuchte Josef die Primarschule, die er 1951 mit der Bezirksschulprüfung abschloss. Sein Weg führte ihn dann aber nicht an die Bezirksschule, sondern ans Gymnasium nach Einsiedeln. Nach der Matura 1958 trat er ins Kloster Einsiedeln ein, das ihm während seiner Stiftsschulzeit zur Heimat geworden ist. Er schrieb: „Die Regel verlangt die stabilitas loci …; wo aber fällt es einem leichter, dieses Gelübde zu halten, als an einem Ort, wo man auch zu Hause ist.“ Den Grundstein zu seiner stabilitas loci legte er am 8. September 1959 mit der zeitlichen Profess, wobei er den Namen des heiligen Cluniazenserabtes Odo annahm. Auf die zeitliche folgte drei Jahre später die ewige Profess, und am 1. Juni 1963 empfing P. Odo die Priesterweihe.
Als Mönch erwies sich P. Odo als ausgesprochen ortsbeständig. Fast ein halbes Jahrhundert später notierte er: „Seit ich Mönch bin, habe ich mein Leben im Kloster zugebracht.“ Ausnahmen bilden lediglich sein Studium der Theologie und der Liturgiewissenschaft an der Hochschule S. Anselmo in Rom und eine Lehrtätigkeit in Liturgiegeschichte und liturgischer Spiritualität am Liturgischen Institut in S. Anselmo und vorübergehend auch in S. Giustina in Padua. In S. Anselmo promovierte er 1968 zu einem liturgiegeschichtlichen Thema, nämlich den Commune-Texten der Heiligenfeste nach Handschriften und frühen Drucken der Stiftsbibliothek Einsiedeln. Diese Studie erschien zwei Jahre später als Band 20 der Ergänzungsbände zu den „Studien und Mitteilungen“.
Nebst der stabilitas loci gehörte für P. Odo die lectio divina zum Kern benediktinischer Spiritualität, nach der er leben wollte. „Mein Streben war auf das Studium der Schriften gerichtet“, schrieb er. Zu seiner liebsten Lektüre gehörten die Werke des Augustinus, dessen Bekenntnisse ihn schon als junger Novize fesselten: Augustinus „Wort vom ‘ruhelosen Herzen’ hat es mir ganz besonders angetan.“ Dieser Heilige begleitete P. Odo bis zuletzt. Davon zeugt die noch jetzt auf seinem Schreibtisch bereitliegende Ausgabe von Augustins Enarrationes in psalmos im Corpus Scriptorum Ecclesasticorum Latinorum.
Was kann einem Mönch, dem die Lectio und damit das Buch von zentraler Bedeutung ist, passenderes zustossen als die Ernennung zum Stiftsbibliothekar? Diese erfolgte 1982. Nun hatte P. Odo erst recht Zugang zu einer über tausendjährigen Sammlung an Büchern und zu dem in diesen Büchern gespeicherten Wissen. Zahlreiche Publikationen P. Odos über Geschichte und Inhalt dieser Bibliothek bezeugen, dass er diesen Zugang nicht nur nicht ungenutzt ließ, sondern das Wissen, das er sich aneignete, auch weitergab. Dies geschah unter anderem in den jährlichen Ausstellungen in der Barockbibliothek zu verschiedenen Schwerpunktthemen, aber auch in zahlreichen Artikeln, vor allem in der Hauszeitschrift St. Meinradsraben, aber auch in den „Studien und Mitteilungen“ und vielen anderen historischen und kirchlichen Zeitschriften. Thematisch kreiste P. Odo stark um die Bestände der geliebten Klosterbibliothek von Einsiedeln, welcher er im Band „Der Mönch und das Buch. Die Stiftsbibliothek Einsiedeln – Deutung und Geschichte“ (1. Aufl. 1999, vollständig überarbeitete 2. Aufl. 2010) ein Denkmal setzte, das nach seinen Worten „Begeisterung für unsere Bibliothek“ wecken sollte. In seinen Ausführungen charakterisiert er Bibliotheken treffend als „kollektives Gedächtnis“, welche das „Beste unseres kulturellen Erbes weitergeben“ (Seite 12).
Sein profundes Wissen war schon bald auch in verschiedenen Kommissionen des Klosters, der Schweizerischen Benediktinerkongregation und weiterer Vereinigungen gefragt. Ab 1992 war er auch Mitglied der Bayerischen Benediktinerakademie, zunächst in der Theologischen, dann in der Historischen Sektion. Doch nebst P. Odos Lese- und Schreibtätigkeit darf nicht vergessen werden, dass zu seiner Zeit als Stiftsbibliothekar in der Bibliothek auch kräftig restauriert und gebaut wurde. Komplett restauriert wurde der barocke Saal, und im früheren Kabiskeller wurde ein modernes Büchermagazin samt einem speziellen Raum für die besonders schützenswerten Bücher und Schriften eingerichtet.
P. Odo – mit der Zeit selbst zu einer wandelnden Bibliothek geworden – gab sein Wissen nicht nur mittels eigener Publikationen weiter, sondern auch durch seine Lehrtätigkeit. Sein beständiges Studieren und Lernen ging Hand in Hand mit Lehren. Während er an der Stiftsschule nur kurze Zeit von 1967 bis 1971 Latein und Griechisch unterrichtete, lehrte er an der klostereigenen Theologischen Hausschule während 44 Jahren – von 1967 bis 2011 – theologische Methodologie, Fundamentaltheologie und Dogmatik. Die bloße, allerdings sehr fein gegliederte Inhaltsübersicht seiner Vorlesungen, die er jeweils zu Beginn eines Studiensemesters austeilte, umfasste allein mehrere Seiten. Seine Vorlesungen waren entsprechend dicht und anspruchsvoll. Manche Studentin und mancher Student waren damit wohl auch überfordert. Die Anspannung und Nervosität vor dem mündlichen Examen beim so streng wirkenden Dozenten waren nicht selten groß. Im Examen begegnete man dann aber einem sehr milden, wohlwollenden und entgegenkommenden Pater Odo.
Stabilitas loci und Lectio Divina: Sie sind zentrale Elemente benediktinischer Spiritualität. Ein weiteres Element ist aber unbedingt hinzuzufügen – erst recht im Lebenslauf von P. Odo: Das Opus Dei. Schon als Schüler fühlte sich P. Odo sehr zum Chorgebet und zur feierlichen Liturgie hingezogen. Die Teilnahme am täglichen Chorgebet und am Konventamt war für ihn eine Selbstverständlichkeit – auch, als er längst darauf angewiesen war, hierfür von den Pflegerinnen unserer Pflegestation in die Kirche gebracht zu werden. Für die Liturgie setzte er sich aber nicht nur durch aktives Mitfeiern sowie Mit- und Vorsingen ein. Von 1975 bis 1991 war er Sekretär der Liturgiekommission der Salzburger Äbtekonferenz und mit beteiligt an der Herausgabe des Monastischen Breviers. Während 36 Jahren stellte er darüber hinaus alljährlich das sogenannte Direktorium zusammen, damit seine Mitbrüder und Mitschwestern in den Schweizer Benediktinerklöster täglich wussten, welche Feste und liturgischen Lesungen gerade anstehen.
Die letzten Lebensjahre verbrachte er dann in der klösterlichen Pflegestation. Dort wurde er liebevoll betreut, wofür er selbst immer wieder seine Dankbarkeit aussprach. Das Requiem auf seinem letzten Gang wurde aus einem liturgischen Werk gesungen, das der immer fleißige Mitbruder noch selbst zusammengestellt hatte. Er ruhe nun in Frieden.

P. Daniel Emmenegger OSB, Einsiedeln

Prof. Dr. Dr. Stephan Haering OSB (15. September 1959 – 18. November 2020)

An der Innenseite einer barocken Zellentür unseres Klausurbereichs wurde vor etwa vierzig Jahren eine kleine, mehrmals übermalte Inschrift entdeckt und freigelegt: „Memento mori“. Der betreffende Mönch wurde also jedesmal, bevor er die Tür betätigte und seine Klosterzelle verließ, mit diesen zwei unscheinbaren Worten konfrontiert. Unscheinbar, aber sehr lehrreich, denn sie wiederholt auch die Aufforderung des hl. Ordensvaters Benedikt: „Mortem cotidie ante oculos suspectam habere“ (Den drohenden Tod täglich vor Augen haben, Regula Benedicti 4,47). Noch dazu zählt diese Aufforderung zu den „Werkzeugen für die guten Werke“.
Da ist am 18. November eine Tür ins Schloss gefallen, die uns reichlich unbarmherzig und schroff aus der Vergesslichkeit herausgerissen und das „Memento mori“ eindringlich in Erinnerung gerufen hat.
Ich erinnere mich an manch alltägliche Wünsche für das Sterben: „Schnell soll’s einmal gehen, ohne viele Umstände, einfach und ohne langes Siechtum, Krankenlager oder dergleichen. Jetzt ist es wieder einmal sehr schnell gegangen…, aber so schnell haben wir uns das auch nicht vorgestellt“, weder für P. Stephan noch für uns. Auch im Kloster können wir das nicht bestimmen, wir können nur „das ewige Leben mit aller Begierde des Geistes ersehnen“ (RB 4,46). Kloster ist keine Schutzzone für einen vertraglich geregelten Todeszeitpunkt, der ist unabhängig von Rang, Namen, Verdiensten und Erwartungen. Eine Schutzzone galt nicht für die jungen Toten des Konventes als Opfer der beiden Weltkriege und nicht die zahlreichen Verstorbenen Konventualen, die – für das 20. Jahrhundert nachgeblättert – kaum sechzig Lebensjahre überschreiten konnten.
Dieser plötzliche Tod hat uns alle überrascht und bedrückt. So ist es guter Brauch in unseren Klöstern, am sog. „Siebenten“ und am „Dreißigsten“, wenn sich die Bestürzung einigermaßen zu legen beginnt, noch einmal ein Requiem zu feiern, sich am frischen Grab zu versammeln und „nicht zu trauern wie die anderen, die keine Hoffnung haben“ (vgl. 1 Thess 4,13). Dann gewinnen wir allmählich wieder Kraft, nicht nur auf dieses Sterben, sondern auch auf das Leben des Mitbruders zu schauen, auf Elternhaus, Kindheit, Schule, Studium, und berufliche Entfaltung. Begonnen hat dieses Leben am 15. September 1959 in Grafenau, drei Brüder waren schon vor Bernhard da. Nach dem frühen Tod des Vaters 1960 wurde und blieb die Mutter, 2017 hochbetagt verstorben, der ehrwürdige Mittelpunkt der Familie. Nach dem Abitur in Metten fühlte er sich vom Vorbild und der Lebensart des Konventes angezogen und trat zwei Tage nach seinem 19. Geburtstag 1978 ins Kloster ein, nach der Einkleidung mit dem Ordensnamen „Stephan“. Nach den regulären Studien in Salzburg und der Priesterweihe am 14. Juli 1984 folgte ein Jahr als Präfekt im Klosterseminar, dann aber zeigten sich zusehends seine akademischen Interessen, die 1987 mit einer Promotion zum Doktor der Theologie im Fach Kirchenrecht zum Thema „Die Bayerische Benediktinerkongregation 1684–1803“ einen vorläufigen Abschluss erreichten. Begabungen lassen sich nicht leicht vor der Öffentlichkeit verbergen, daher wurde von mehreren Seiten eine weitere akademische Ausbildung erwartet, die 1996 mit der Habilitationsschrift „Die Rezeption weltlichen Rechts im kirchlichen Rechtsbereich“ eine weitere Etappe nahm. 1997 bekam er den Lehrstuhl für Kirchenrecht an der Universität Würzburg zugesprochen, vier Jahre später ging er in derselben Funktion an die Universität München.
Was sich an Aufgaben, Berufungen und Funktionen in diesen 19 Jahren angesammelt hat, kann man in Stichpunkten aufzählen, in Wirklichkeit hätte jeder Bereich eine eigene Abhandlung verdient. P. Stephan war es ein großes Anliegen und es bereitete ihm Freude, viele Kontakte zu knüpfen und im Austausch mit vielen Menschen, nicht nur Fachkollegen, sein berufliches Spektrum zu erweitern. Geschickt nützte er auch die digitale Erfassung und Verarbeitung, so dass er bald jederzeit auf einen riesigen „Speicher“ an Informationen, Beiträgen, Abhandlungen etc. zurückgreifen und verweisen konnte. Sein Schrifttum von nahezu 800 Titeln zu erfassen wird kein Problem bereiten, denn er hat es selber systematisch ergänzt und – wo möglich – seine Autorenexemplare an das Klosterarchiv abgegeben. Manches wird erst noch im Druck erscheinen. Sein geschultes Auge brauchte oft nicht lange Zeit, Texte zu überblicken und er hatte die besondere Gabe, ein neues Buch auf einer beliebigen Seite aufzuschlagen und unmittelbar einen Druckfehler zu entdecken. Dabei konnte er das mit einer Liebenswürdigkeit kommentieren, dass der betreffende Autor nicht allen Mut zu verlieren in Gefahr war.
Pater Stephan wird fehlen: In seiner Heimatabtei Metten, für die er seit 25 Jahren die Hauszeitschrift „Alt und Jung Metten“ redigiert und ihr ein neues Gesicht verliehen hat; in der Abtei Venio, wo er als Gast und zugleich geistlicher Betreuer geweilt hat; an seinem Lehrstuhl an der Universität München; in der Bayerischen Benediktinerkongregation als Mitglied des Präsidiums; in der Bayerischen Benediktinerakademie als Dekan der Historischen Sektion; und an vielen anderen Stellen mehr, wie am erzbischöflichen Konsistorium und am Metropolitangericht München; als Berater der Glaubenskommission in der Deutschen Bischofskonferenz, als Herausgeber und Schriftleiter der Zeitschrift „Archiv für katholisches Kirchenrecht“…
Aber er wird dort nicht fehlen, wo künftig sein Schrifttum gebraucht wird in Büchern, Handbüchern, Lexika und Zeitschriften. Seinem reichen Studieren, Forschen und wissenschaftlichen Arbeiten werden künftige Studenten und Wissenschaftler immer wieder begegnen. Sein umfangreicher Nachlass wird für ihn weiterarbeiten. Im Nachhinein kommt dem Evangelium am Sonntag vor dem Todestag mit den anvertrauen Talenten noch eine besondere Bewandtnis zu. Unter dem Eindruck der völlig unerwarteten Todesnachricht wurden manchmal Bedenken geäußert, ob denn diese zahlreichen Arbeitsfelder nicht doch dazu beigetragen haben, dass seine Kräfte so abrupt aufgebraucht waren. Wer aber P. Stephan gekannt hat, weiß von seinem Drang, Dinge voranzubringen, Ergebnisse aufzuweisen, neue Themen und Anliegen aufzugreifen und seine Talente zu entfalten. Vielleicht musste er so emsig arbeiten, damit die Zeit, die ihm zur Verfügung stand, bis zum letzten Augenblick genützt und für die Wissenschaft angelegt werden konnte.
„Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel. Schreibe! Selig, die Toten, die im Herrn sterben, von nun an. Ja, spricht der Geist, sie werden ausruhen von ihren Mühen, denn ihre Werke folgen ihnen nach“ (Offb 14,13).
Der Historischen Sektion der Bayerischen Benediktinerakademie gehörte Pater Stephan seit 1988 an. Seine Beteiligung an den Sektionstagungen wie auch an den Jahrestagungen der BBA gehörte wie selbstverständlich zu seinen Terminen im Kalender. Vor sechs Jahren erklärte er sich bereit, die Sektion als Dekan zu führen. Es waren erwartungsgemäß fruchtbare und erfolgreiche Sektionstagungen – seine Erfahrung für Konferenzen und Besprechungen kamen allen Beteiligten zugute.

P. Dr. Michael Kaufmann OSB, Metten

Prof. Dr. Friedrich W. Riedel (24. Oktober 1929 – 10. September 2020)

Prof. Dr. Friedrich W. Riedel gehörte seit 2005 der Sectio Artium an.

Dr. Hermann Dannheimer (9. Dezember 1929 – 2. Juli 2020)

Dr. Hermann Dannheimer gehörte seit 2008 der Sectio Artium an.