1970

P. Dr. phil. Bernhard (Matthias) Walcher OSB (23. Februar 1893 – 18. Oktober 1970)

Nach langer schwerer Krankheit verschied in der Nacht zum Kirchweihsonntag im Krankenhaus zu Pfaffenhofen/Ilm unser hochwürdiger P. Prior Bernhard Walcher OSB.
Seine Heimat, der er zeitlebens treu verbunden blieb, war Waging am See im Rupertiwinkel. Dort wurde er in der Filialgemeinde St. Leonhard am Wonneberg (GreinachII) am 23. Februar 1893 als ältester Sohn des Schmiedemeisters Johann Walcher geboren und auf den Namen Matthias getauft. Durch eifrige Kapläne gefördert und durch Wohltäter unterstützt, konnte er trotz der bescheidenen Vermögensverhältnisse der großen Familie (7 Kinder) 1905 nach Scheyern zum Studium kommen. Nach dem Abitur in Freising bat er in Scheyern um Aufnahme und erhielt bei der Einkleidung am 30. August 1913 den Namen Bernhard, in Erinnerung an den großen Reformer des ausgehenden Mittelalters, Bernhard von Waging (gestorben 1472 als Prior von Tegernsee). Zwei leibliche Schwestern und eine Erziehungsschwester folgten seinem Beispiel und traten in Ursberg und bei den Barmherzigen Schwestern ein. P. Bernhard setzte in Scheyern die ruhmvolle Reihe der Waginger fort, die seit der Wiedererrichtung des Klosters i. J. 1839 in ununterbrochener Folge dem Konvent als wertvolle Gliederangehört hatten. Während seine drei Mitnovizen alsbald in den ersten Weltkrieg ziehen mussten, konnte P. Bernhard in Eichstätt und Freising seine philosophischen und theologischen Studien vollenden und am Guthirten-Sonntag, 7. April 1918, die Priesterweihe empfangen. Zunächst wirkte er als Kaplan in der Pfarrei Scheyern, dann 5 Jahre an unserer damaligen Lateinschule. Erst dann konnte er das Studium der Altphilologie an der Universität München aufnehmen, das er 1930 mit demStaatsexamen für das höhere Lehramt und einer Promotion in der bayerischen Geschichte abschloss. Mit Begeisterung nahm er an unserer inzwischen zum Progymnasium aufgestockten Schule seine Lehrtätigkeit wieder auf und versah zeitweise auch das Amt eines Präfekten, bis die gewaltsame Schließung unserer Schule durch die Nazis dem ein Ende setzte. 1939 wurde er in das von Salzburg nach Seitenstetten/Niederösterreich verlegte Kolleg St. Benedikt als Lehrer für Altes Testament und Hebräisch berufen, bis 1942 auch dieses aufgelöst wurde, weil alle Hörer zum Heeresdienst eingezogen wurden. Wieder zuhause, übernahm er zunächst die Betreuung unserer Bibliothek und des Archivs, dann 1943-1946 die Leitung unserer großen Klosterpfarrei. Nach Beendigung des Krieges kehrte er wieder an unsere Schule zurück, diezum Vollgymnasium ausgebaut wurde und übernahm 1953 auch dessen Leitung. Dazu wurde er 1951 auch zum Prior bestellt und versah dieses verantwortungsvolle Amtbis zu seinem Tode. In den letzten 10 Jahren seines Lebens nahm Gott ihn in seine Leidensschule. Obwohl 1962 an Magenkrebs operiert, versah er weiter­ hin sein Amt als Prior, vor allem durch sein immer gegenwärtiges Beispiel, war unermüdlich in der Betreuung der Gäste und Pilger, stand immer bereit als Beichtvater, als Helfer in allenleiblichen und geistigen Nöten, als Stütze des Abtes, als eifriger Beter und als anspruchsloser und fröhlicher Dulder in seinen mannigfachen Leiden und Beschwerden. Als sich gegen Ende 1969 sein Krebsleiden erneut meldete und eine zweite Operation noch einmal kurze Besserung brachte, war er sich bewusst, dass es Zeit war, sich auf den Heimgang zum Vater zu rüsten und er übte die ars moriendi so gut, dass ihn der Tod freudig bereit und bereitet fand.
Wir verlieren in P. Bernhard einen vorbildlichen Mönch, dessen charakteristische Tugend neben vielen anderen die disponibilitas war, die stete, vorbehaltloseVerfügbarkeit. Mit ihr war er nach der Mahnung des Apostels allen alles geworden. So dürfen wir hoffen, daß er auch in Zukunft uns ein treuer und mächtigerFürbitter bleiben wird.

Klostergemeinschaft von Scheyern

P. Prof. Dr. phil. Virgil Redlich OSB (16. April 1890 – 30. Mai 1970)

Am 30. Mai 1970 verstarb in der Abtei Seckau deren Prior Univ.-Prof. P. Dr. phil. Virgil Redlich. Er war einer „der zweiten Stunde“ unserer Akademie, berufen im Jahre 1932. Sein Mitbruder und unser Mitarbeiter am Band „Österreich“ der Germania Benedictina, der Historiker von Seckau, P. Dr. Benno Roth, hat in Heft 24 der „Seckauer Geschichtlichen Studien“ in einem ausführlichen Lebensbild dieses Gelehrten und Lehrmeisters, Seelsorgers und Mönches gedacht. Auch uns sei es ehrenvolle Pflicht seiner zu gedenken. Eifer und Liebe zur Wissenschaft wurden Virgil Redlich schon in die Wiege gelegt, als er zu Innsbruck am 16. April 1890 das Licht. der Welt erblickte als Sohn des damaligen Archivoffizials und Univ.-Assistenten Dr. Oswald Redlich, der dann von 1892 an 52 Jahre der Universität Wien angehörte und 19 Jahre Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften war. Nach der Matura am Stiftsgymnasium zu Melk zog der junge Redlich 1909 an die Wiener Universität und trat 1910 in die Abtei Seckau ein. Nach seinen Studien zu Maria Laach und Beuron bezog der junge Mönch 1917 wiederum die Universität Wien, wo er neben anderen namhaften Professoren bei seinem eigenen Vater das Rüstzeug für sein späteres wissenschaftliches Wirken empfing. An der Bonner Universität beschloß er sein Studium mit der Promotion zum Dr. philosophiae durch eine Dissertation: „Johann Rode von St. Matthias zu Trier. Ein deutscher Reformabt des 15. Jh.“ Mit einer weiteren, aufsehenerregenden Arbeit: „Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte im 15. Jh.“ habilitierte er sich 1931 an der theol. Fakultät zu Salzburg, um die er sich weiterhin große Verdienste erwarb als Lehrer, Forscher und nicht zuletzt als Spiritual des Kollegs. Zahlreiche Publikationen zeugen von seinem Fleiß; auch mehrere Aufsätze in unserer Zeitschrift. 1933 erschien einer der umfangreichsten und wesentlichsten Beiträge zur Geschichte der Salzburger Benediktiner-Universität: „Die Matrikel der Universität Salzburg.“
Das Jahr 1939 riß P. Virgil aus seiner akademischen Lehrtätigkeit und führte ihn als rastlosen Arbeiter in den Weinberg des Herrn. Nach 1945 wirkte er tatkräftig am Wiederaufbau seiner Abtei mit und konnte seine Vorlesungstätigkeit in Salzburg und Graz wieder aufnehmen. Anlässlich seines 80. Geburtstages und der baldigen Abberufung aus diesem reich erfüllten Leben wurde Virgil Redlich verdiente Anerkennung zuteil. Auch die ACADEMIA BENEDICTINA zollt ihrem verdienten Mitglied gebührend Dank als einem Vorbild und Leitbild, – hoffend, dass aus dem reichen Schaffen und dessen verborgenem Nachlass noch manches ans Tageslicht gefördert werden könne zu Nutz und Frommen der Wissenschaft und unserer Ordensgeschichte. R.I.P.

Aegidius Kolb OSB, Ottobeuren

P. Dr. phil. Viktor Warnach (28. Juni 1909 – 16. Mai 1970)

Am Samstag vor Pfingsten, dem 16. Mai 1970, verschied plötzlich P. Dr. Viktor Warnach, Professor für Philosophie an der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg, am Strand von Fregene bei Rom in seinem 61. Lebensjahr. Er wollte in der folgenden Woche einige Gastvorlesungen am Benediktinerathenäum S. Anselmo zu Rom halten und zuvor noch die Nachwirkungen einer langwierigen Virusgrippe, die ihn über Monate geplagt hatte, durch Schwimmen im Meer beheben. Dabei geriet er in einen Wirbel, vermochte sich aber herauszukämpfen. Beim Anlandgehen sank er zusammen. Ein in der Nähe weilender Arzt konnte nur mehr den eingetretenen Tod feststellen, so dass weitere Wiederbelebungsversuche erfolglos waren.
P. Viktor wurde am 21. Mai in der Gruft des Internationalen Kollegs S. Anselmo auf dem Campo Verano bei San Lorenzo in Rom beigesetzt. Damit hat ein vielseitiges und initiatives Mönchs- und Gelehrtenleben seinen irdischen Abschluss gefunden, das sich rückhaltlos verausgabt hatte für das Reich Gottes und den Dienst am Menschen in Forschung und Reflexion, in Lehrvermittlung und Apostolat. Mögen nun die vielen, die ihn gekannt und verehrt hatten, und denen er Gutes erwiesen, seiner im heiligen Opfer und Gebete gedenken, dass Gott in seiner Barmherzigkeit ihm jene Belohnung schenke, die er denen verheißen hat, die ihm aufrichtig dienen.
Paul Warnach wurde am 28. Juni 1909 im damals zu Deutschland gehörenden Metz geboren und besuchte die Schulen daselbst sowie in Stettin und Köln, wo er im Frühjahr 1927 die Reifeprüfung ablegte. Anschließend studierte er zwei Semester Geschichte und Philosophie in Bonn (u.a. bei Adolf Dyroff) und hörte in Köln Max Scheler und Nicolai Hartmann, bis er ein Jahr später in die Abtei Maria Laach eintrat. Nach dem Noviziat oblag er 1929 zuerst ein Jahr in Maria Laach und hernach in S. Anselmo zu Rom philosophischen und theologischen Studien. 1935 promovierte er zum Doktor der Philosophie mit der Dissertation „De linguae munere exprimendi et significandi inquisitio“. Die Lehrer, die ihn hier am nachhaltigsten formten, waren Josef Gredt und Beda Thum in der Philosophie, in der positiven Theologie, Athanas Miller, Hildebrand Höpfl und Matthäus Rothenhäusler sowie in der spekulativen Theologie besonders Anselm Stolz. Anschließend lehrte P. Warnach 1936–1942 sowie 1946–1951 und nochmals 1957–1958 Philosophiegeschichte, Logik, Sprachphilosophie und Metaphysik an der Ordenshochschule zu Maria Laach und daneben Biblische Theologie an der Internationalen Benediktinerakademie Maria Laach. Das waren fruchtbare Jahre der Forschung und des didaktischen Bemühens, schwierige Wissenschaftsgebiete für junge Menschen und Nichtfachleute verstehbar zu machen. Dazwischen leistete er im Zweiten Weltkrieg Sanitätsdienst in Russland und auf dem Balkan. Während der amerikanischen Gefangenschaft in Frankreich vom Mai bis August 1945 war er Mitbegründer einer philosophisch-theologischen Lagerschule für beide christlichen Konfessionen, an der er selber philosophische und bibeltheologische Vorlesungen und Seminare abhielt. Ab 1951wirkte er sechs Jahre als Spiritual in der Benediktinerinnenabtei Herstelle in Westfalen. 1958 habilitierte er sich für Philosophie an der Katholisch-theologischen Fakultät Salzburg. Ab Februar 1959 hielt er hier Vorlesungen und Seminare hauptsächlich über Sprachphilosophie, Metaphysik, Philosophiegeschichte der Neuzeit und Gegenwart, vereinzelt auch über Naturphilosophie, Einführung ins Heilsmysterium usw. Im Dezember 1962 erfolgte seine Ernennung zum a. o. und im März 1967 zum o. Universitätsprofessor. Im Studienjahr 1967/68 war er Dekan der Theologischen Fakultät und leitete von 1962 bis 1969 als Präses das Philosophische Institut päpstlichen Rechtes in dieser Fakultät. Als solcher unterzog er sich langwierigen universitätsrechtlichen Vorarbeiten und Konferenzen, die schließlich mit dem Bundesgesetz für Katholisch-theologische Fakultäten vom Juli 1969 gekrönt wurden. Dadurch erhielt unser Philosophisches Institut das Recht, fortan das gesamte Studien- und Prüfungsverfahren einer eigenen „Philosophischen Studienrichtung“ durchzuführen im Hinblick auf die durch die Theologische Fakultät zu verleihenden staatlichen akademischen Grade des Magistrates und Doktorates „philosophiae facultatis theologicae“. Es bleibt für immer das Verdienst Prof. Warnachs, hingebend zur Erreichung dieses Resultats beigetragen zu haben. Die Entwicklung unseres Philosophischen Instituts seit den zwanziger Jahren zeigte er im Sammelband „Philosophie in Österreich“ auf: „Philosophisches Institut an der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg“ (Wissenschaft und Weltbild. 21. Jg., H. 2/3, Juni/September 1968, 202-216). Seit 1959 bis zu seinem Tode war er Schriftleiter des „Salzburger Jahrbuches für Philosophie“, das bisher 13 Bände zählt, und gründete 1961 die Reihe „Salzburger Studien zur Philosophie“, in der bis heute 8 Bände erschienen sind.
Aus dem Bildungsgang und den realen Anforderungen des Berufes von Prof. Warnach strukturierte sich mehr und mehr sein geistiges Profil, wie es sich zeigt in den Themen seiner Vorlesungen und in seinen zahlreichen Beiträgen zu Lexiken, Sammelwerken, Zeit- und Festschriften. Der systematische Ansatz zu Warnachs Lebenswerk liegt zweifellos in der Sprachphilosophie und Hermeneutik, einem philosophischen Spezialgebiet, über das er immer wieder gesprochen und geschrieben hat seit seiner erwähnten Dissertation und seinen Artikeln von 1937 und 1938. Die systematisch fundamentale Bedeutung dieser Disziplinen für die historischen, philosophischen und besonders auch theologischen Probleme sah er schon in einer Zeit, in der sie sich noch kaum aus dem Fächerverband der Erkenntnislehre und Logik loszulösen begannen. Die seitherige ideen- und wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung hat ihm recht gegeben, wenn sie die Sprachphilosophie zu einer führenden philosophischen Grunddisziplin emporgeführt hat. In diesem Zusammenhang wirkte er auch 1963 bis 1966 als Leiter der geisteswissenschaftlichen Abteilung im Institut für Wissenschaftstheorie am Internationalen Forschungszentrum in Salzburg. Im Juni 1968 rief Prof. Warnach ein internationales Symposion mit hervorragenden Referenten, wie Emilio Betti, über „Hermeneutik als Weg heutiger Wissenschaft“ nach Salzburg zusammen, dessen Veröffentlichung als Band 9 der „Salzburger Studien zur Philosophie“ bevorsteht. Noch in den allerletzten Wochen vor seinem Tode entwarf er das gigantische Projekt eines internationalen und interuniversitären Instituts zur „Erforschung der philosophischen und historischen Bedingtheiten theologischer Begrifflichkeit“ mit je einer wissenschaftstheoretischen, einer begriffs-, motiv- und wissenschaftsgeschichtlichen und einer „sachlich-systematischen“ Abteilung. Aus diesem sprachphilosophischen Ansatz, ferner mit seinen starken begriffstheoretischen Interessen und unter der bleibenden Anregung, die ihm die erwähnten Exegeten und Patrologen von S. Anselmo gegeben hatten, arbeitete sich Pater Warnach als einer der ersten schon am Ende der dreißiger Jahre in die Bibeltheologie ein, eine theologische Disziplin, die damals noch kaum genannt wurde, und für die ihm die erwähnte Internationale Benediktinerakademie in Maria Laach über Jahre hinweg mit einem Lehrauftrag die Entfaltungsmöglichkeiten gewährte. Auch diesem Forschungsschwerpunkt ist Warnach sein ganzes Leben lang treu geblieben. Ihm gehört besonders sein Hauptwerk „Agape. Die Liebe als Grundmotiv der neutestamentlichen Theologie“ von 1951 zu. Auf der gleichen Linie lagen seine Spekulationen über den Pneumabegriff und die Mysterientheologie Odo Casels, die er unermüdlich weiterdachte in Richtung auf das Wesen von Kirche, Taufe, Eucharistie, Liturgie, Mönchtum und Eschatologie. Noch bis zuletzt arbeitete er an einem großen Werk über „Das Christusmysterium. Entwurf einer bibelgemäßen Mysterientheologie.“
Ein weiteres Hauptinteresse Prof. Warnachs entfaltete sich aus seiner Bibeltheologie, es war das ökumenische Anliegen, das ihn während seines ganzen Lebens beseelte, gehörte doch sein Vater der evangelischen Konfession an. Nahezu während 25 Jahren war er Mitglied der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft unter dem heutigen Kardinal Jaeger in Paderborn und nahm wiederholt aktiv an ihren alljährlichen Arbeitstagungen teil. Auch in Salzburg arbeitete er in einem ökumenischen Kreis mit und förderte mit verschiedenen Vorträgen und Artikeln in Sammelwerken und Zeitschriften das gegenseitige Verstehen unserer beiden christlichen Konfessionen. Es war daher sehr sinnvoll, dass beim akademischen Trauergottesdienst für den Heimgegangenen in der Erzabteikirche St. Peter in Salzburg die beiden Epistellesungen von Herrn Superintendent Dipl.-Ing. Emil Sturm vorgetragen wurden.
Auf dem akademischen Gebiet war neben verschiedenen interdisziplinären und interfakultären Seminarien, in die sich Prof. Warnach immer sehr initiativ einschaltete, seine hauptsächliche Lehrverpflichtung die breite Disziplin der Metaphysik mit der Philosophischen Gotteslehre. Hier hatte er eine dreisemestrige Grundvorlesung ausgearbeitet, die die erwähnten Hauptinteressen seines Forschens in einen umfassenden Systementwurf zu bringen versuchte. Er selber war sich dabei mancher noch offenen Probleme so stark bewusst, dass er keine der unter seiner Kontrolle verfassten Studentennachschriften und -zusammenfassungen als zuverlässigen Spiegel seiner Spekulationen betrachtete. Er ließ sich auch selber nie zur Endredaktion einer Sprachphilosophie oder gar einer systematischen Ontologie drängen. In seiner immer wieder hinausgeschobenen großen Metaphysikdarstellung wollte er einerseits eine historisch aus allen Traditionen schöpfende Systematik entwerfen. Dabei lag ihm, aus dem bereits Gesagten durchaus begreiflich, am Herzen, auch die religions- und bibelwissenschaftlichen Informationen in seiner philosophischen Reflexion weiter zu denken. Wie oft vertrat er in langen Plädoyers sein Fernziel, eines Tages eine „bibeloffene Metaphysik“ und eine „bibelgemäße Ontologie“ herauszubringen. Anderseits hatte er seit seinen römischen Studien eine starke Reserve gegen die „aristotelisch-thomistische“ Systematik seines Lehrers Josef Gredt. Er anerkannte zwar ihre luzide Konsequenz, bemängelte aber ihre historisch ungenügende Information. Seither sah er stets auch das gegenwartsoffene, von Thomas befruchtete Denken doch wieder einseitig in der Bindung an seinen Gredt der dreißiger Jahre und nahm die seitherige fruchtbare, historisch-kritisch fundierte Thomasforschung kaum zur Kenntnis. Er entwickelte deshalb seine eigenen Ideen lieber im Weiterdenken von Augustin, Anselm, Duns Scotus u. a. So kam er in seiner Systematik zu einer ganz eigenen deutschen Terminologie, die für den Durchschnittshörer nicht leicht zu verstehen war, und deren genaue Bedeutungszusammenhänge erst dem lang und intensiv Forschenden allmählich aufgingen.
So war Prof. Warnach ein vielseitiger Geist, der mit einer selten aufopfernden Hilfsbereitschaft auf seine Hörer sehr anregend wirkte. Hier war es bloß darum zu tun, das geistige Profil des Verstorbenen mit einigen wesentlichen Strichen zu zeichnen. Ein kritisch unanfechtbares und abgerundetes Bild seiner Bedeutung im Verhältnis zum Denken seiner Zeit zu geben, ist heute noch nicht möglich. Zuvor müssten die Fachleute in den Spezialdisziplinen von Prof. Warnach seinem geistigen Werdegang im Einzelnen nachgehen, seine empfangenen Einflüsse ermitteln und seine persönlichen Initiativen und Weiterentwicklungen dagegen abgrenzen.

Maximilian Roesle OSB, Salzburg-Einsiedeln