2023

P. Angelus Waldstein OSB (13. Januar 1931 – 27. Dezember 2023)

Karl Albrecht Graf von Waldstein-Wartenberg wurde am 13. Januar 1931 auf Schloss Hirschberg in Nordböhmen, damals Tschechoslowakei, geboren. Seine Familie zog 1945 nach Bayern. Karl legte 1950 am Gymnasium Ettal das Abitur ab, trat im folgenden Jahr als Angelus Maria in die Abtei Ettal ein und wurde 1956 zum Priester geweiht. Als Lehrer und Erzieher, als Prior, Internatsdirektor und Schuldirektor war er bis 1997 in verantwortlichen Positionen in Ettal tätig. 1997 wurde er in die sectio artium der Bayerischen Benediktinerakademie aufgenommen. Von 2007 bis 2012 war er Hausoberer im Kloster Wechselburg, im Bistum Dresden-Meißen. P. Angelus setzte sich sein Leben lang für die Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen ein, war in Kontakt mit dem Bekenner Frantisek Tomásek und vielen Sudetendeutschen. Staatspräsident Václav Havel zeichnete ihn dafür im Jahr 1995 mit der Verdienstmedaille der Tschechischen Republik aus. P. Angelus war mit einer schönen Stimme begabt, an Kunst interessiert, und humorvoll, wie auch der folgende, von ihm rezitierte Vers beweist:
Sankt Johann von Nepomuk,
Deine Hand halt‘ Böses z’ruck,
Geb uns Gott, was er dir gab:
unversehrt die Zung‘ im Grab.
Er starb im Alter von 92 Jahren als Senior der Bayerischen Benediktinerkongregation.

Petrus Eder OSB, St. Peter/Salzburg

P. Dr. phil. Urban Alex Affentranger OSB (18. März 1944 – 3. Dezember 2023)

Alex Affentranger wurde als zweites von drei Kindern des Ehepaares Franz und Hedwig Affentranger-Muff am 18. März 1944 in Retschwil, Gemeinde Hitzkirch geboren. Dort besuchte er die Primarschule und wurde sechs Jahre von seinem Vater unterrichtet. Gemeinsam mit seinen zwei Brüdern erlebte er im Luzerner Seetal eine glückliche Kindheit. Nach einem Trimester an der Sekundarschule in Hitzkirch kam Alex 1957 nach Disentis an die Klosterschule, welche er 1964 mit der Matura Typus A abschloss. Gleich nach der Matura begann er mit dem Noviziat im Kloster Disentis und legte am 29. September 1965 als Frater Urban die Einfache Profess ab. Nach einem Philosophiejahr in Einsiedeln studierte Frater Urban zwischen 1966 und 1975 an der Universität Salzburg neben Theologie auch Philosophie und Geschichte und an der Hochschule Mozarteum Kirchenmusik mit dem Hauptfach Orgel (Staatsdiplom). Seine Studien schloss er mit der Promotion in Geschichte bei Prof. Heinrich Schmidinger ab. Die Dissertation trug den Titel: «Die Bischöfe von Chur in der Zeit von 1122 – 1250». Vom Churer Bischof Johannes Vonderach wurde Frater Urban am 12. Oktober 1968 zum Diakon und am 27. Juni 1969 zum Priester geweiht.
Von 1975 bis 2012 wirkte P. Urban als Lehrer für Geschichte an der Klosterschule Disentis. Er war ein begeisterter und begeisternder Lehrer, der vielen Generationen von Schülern und Schülerinnen historische Zusammenhänge erschloss. Schon früh verwendete er im Unterricht nicht nur schriftliche Quellen, sondern auch z. B. historische Filmdokumente. Obwohl er von Haus aus Mediävist war, zeichnete sich sein Unterricht durch ein starkes Schwergewicht auf Zeitgeschichte aus bis hin zu aktuellen Ereignissen, die er in ihren historischen Kontext stellte. Ihm war es stets ein Anliegen, die Schüler zu mündigen und interessierten Staatsbürgern heranzubilden. Für besonders interessierte Schüler initiierte er ein «Historisches Kolloquium», das die Schüler mit Vorträgen zu selbstgewählten Themen aus der Geschichte bestritten.
Von 1978 bis 1989 war P. Urban zudem Lyceumspräfekt im Internat. Als Rektor leitete er zwölf Jahre das Geschick des Gymnasiums und des Internats während der Jahre 1985 bis 1997. In seiner Rektoratszeit wurde 1995 der Maturitätstypus E (Wirtschaft) als Ergänzung zu Typus A (Latein und Griechisch) und Typus B (Latein und Englisch) eingeführt. Grossen Zeitaufwand erforderten die verschiedenen Gremien für die Einführung des Maturitätsanerkennungsreglements (MAR). Ab 1983 lud P. Urban zum Forum Kloster Disentis ein, welches über 35 Jahre unter seiner Leitung stand und viele berühmte Persönlichkeiten nach Disentis brachte.
Im Kloster war er als Organist ein Meister der Improvisation. Er war massgeblich am Bau der Chororgel und der Orgel der Marienkirche beteiligt. Als Historiker wurde P. Urban 1983 das klösterliche Archiv anvertraut, als Nachfolger seines hochgeschätzten Lehrers und Mitbruders P. Iso Müller. Trotz seiner vielen Aufgaben in Schule und Kloster war P. Urban bestrebt, regelmässig historische Aufsätze zu publizieren. Diese bezogen sich vor allem auf die Kloster- und Schulgeschichte. Für diese Forschungen fand er nach seiner Pensionierung als Lehrer vermehrt Zeit. In den letzten Jahren war ihm die Restaurierung der Klosterkirche von 2015-2019 Anlass, diverse Aspekte der Bau- und Kunstgeschichte dieses barocken Bauwerks darzustellen. So widmete sich auch seine vermutlich letzte Publikation in den SMGB 134 (2023) den «Deckenmalereien und Stuckaturen in der barocken Klosterkirche Disentis». 2008 wurde er ordentliches Mitglied der Historischen Sektion der Bayerischen Benediktinerakademie. Gerne und regelmässig nahm er an deren Jahrestagungen teil.
Unter Abt Pankraz Winiker war P. Urban Subprior. Er versah zudem das Amt des Gastpaters und des Küchenmeisters. Über 20 Jahre war er Mitglied des kantonalen Seelsorgerates. Die Gemeinde Disentis ehrte 2019 P. Urban mit dem «Premi Desertina» für seine kulturellen Verdienste, besonders als Organisator des «Forum Kloster Disentis» und als Historiker.
In den letzten Jahren hatte P. Urban verschiedene gesundheitliche Probleme zu erdulden, welche mehrere Spitalaufenthalte und Operationen erforderten.
Er verstarb am Abend des 1. Adventssonntages im Regionalspital Ilanz.

Bruno Rieder OSB, Disentis

P. Dr. theol. Gottfried Paul Glaßner OSB (15. April 1950 – 1. Dezember 2023)

Gottfried Glaßner wurde 1950 geboren. Gleich nach der Matura am Stiftsgymnasium Melk trat er dort in das Stift ein. Im Anschluss an das Theologiestudium in Innsbruck erhielt er 1976 die Priesterweihe. Nur kurz wirkte er von 1984 bis 1986 als Kaplan in der Pfarrei Melk. 2015 übernahm er die geistliche Leitung der Seelsorge im Landesklinikum Melk. Seine Interessen und Fähigkeiten lagen vor allem im Bereich der Wissenschaft. 1990  wurde er in Salzburg mit einer exegetischen Arbeit promoviert (Vision eines auf Verheißung gegründeten Jerusalem. Textanalytische Studien zu Jesaja 54 [= Österreichische biblische Studien 11], Klosterneuburg 1991). Seit 1998 lehrte er an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten, wo er 2005 Professor für Alttestamentliche Bibelwissenschaft wurde. Gerne engagierte er sich auch in der Ostkirchenkunde. Von 2001 bis 2022 war er  Nationalsekretär des Andreas-Petrus-Werkes, das in Österreich die Beziehungen zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und den Orthodoxen pflegt, und 1998 bis 2020 Vorstandsmitglied der „Initiative Christlicher Orient“.
Neben all diesen Aufgaben blieb er seinem Kloster eng verbunden. Bei seiner Antrittsvorlesung in St. Pölten sprach er über die viele biblische Themen aufnehmende Ikonographie der Melker Abteikirche. Zeitlebens verfolgte er innerklösterliche Entwicklungen mit wacher Aufmerksamkeit und kritischem Blick. Die Abtei vertraute ihm 1979 die Leitung ihrer berühmten Bibliothek an, der er dann 44 Jahre lang bis zu seinem Tod vorstand, länger als jeder anderer Bibliothekar in der Melker Geschichte. Im 17. Jahrhundert kam Pater Sigismund Häringhauser nur auf circa 24, im 18. Jahrhundert Pater Bernhard Pez auf 26 Jahre. Wie Pez verband Pater Gottfried die bibliothekarische Arbeit mit der wissenschaftlichen Forschung, was beiden Bereichen sehr zugute kam. Der Typus des gelehrten Bibliothekars blieb so auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts lebendig. Innovativ öffnete er die Bibliothek dem digitalen Zeitalter, organisierte zusätzliche Flächen für den permanent steigenden Raumbedarf und sorgte durch die Einstellung  von kompetenten Mitarbeitern für die notwendige Professionalisierung. Zudem förderte er die Nutzung der Bibliothek durch eigene und fremde wissenschaftliche Untersuchungen. Diese wurden zum Teil in der von ihm 2009 gegründeten Reihe „Thesaurus Mellicensis“ publiziert, von der inzwischen sechs Bände erschienen sind. Der Titel spielt an auf den „Thesaurus anecdotorum novissimus“ des Bernhard Pez. In Zusammenarbeit mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wurden die Melker Handschriftenbestände neu erfasst und digitalisiert, was mehrere Forschungsprojekte auslöste. Zu den zahlreichen Besuchern der Bibliothek zählte auch Umberto Eco, in dessen Roman „Der Name der Rose“ (1980) Melk eine Rolle spielt. Leider konnte P. Gottfried die Vollendung der von ihm in den letzten Jahren mitvorbereiteten Restaurierung der Melker Bibliothek nicht mehr erleben.
Der Bayerischen Benediktinerakademie/Benediktinischen Akademie Salzburg gehörte Pater Gottfried seit 1996 an. Er gehörte zu den regelmäßigen Besuchern der Jahrestagungen der Historischen Sektion. Für den umfangreichen Artikel über die Abtei Melk in der Germania benedictina III/3 (St. Ottilien 2001, S. 526-654) verfasste er u. a. den sehr gründlichen Abschnitt über die Bibliotheksgeschichte (S. 589-605). Gerne arbeitete er mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen. Unter diesen ist besonders seine Schwester, die Leiterin der Abteilung Schrift- und Buchwesen des Instituts für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Dr. Christine Glaßner zu nennen, seit 2009/10 ebenfalls Mitglied unserer Akademie.
In den letzten Jahren beeinträchtigte eine schwere Erkrankung Pater Gottfrieds Schaffenskraft. Er starb am 1. Dezember 2023. Möge er jetzt in dem „auf Verheißung gegründeten Jerusalem“ ein neues Zuhause gefunden haben.

Marcel Albert OSB, Gerleve

Dr. Gertraut Haberkamp (29. Januar 1937 – 5. November 2023)

Getraut Haberkamp hat sich „Im Dienst der Quellen zur Musik“ (so der Titel der ihr gewidmeten Festschrift zum 65. Geburtstag) bleibende Verdienste erworben. Ein Schwerpunkt war die Erforschung der Erstdrucke der Werke Wolfgang Amadeus Mozarts, zuerst 1986 als Text- und Bildband, und von 1992 bis 2007 in einer Reihe von Aufsätzen in den Mozart-Studien. Das internationale und großangelegte Projekt „Répertoire International des Sources Musicales“ (RISM) war für sie eine ideale Plattform für ihre Arbeit. Von 1964 bis zum Rentenantritt 2002 arbeitete sie als „nimmermüde Zugmaschine der RISM-Arbeitsstelle München“ (so Nicole Schwindt im Nachruf). Zwölf Kataloge aus der Reihe „Kataloge Bayerischer Musiksammlungen“ wurden von ihr verantwortet, darunter der Band über die Abtei Ottobeuren. Weil sich in vielen nichtklösterlichen Sammlungen in Bayern oft Musikalienbestände aufgehobener Klöster finden lassen, ist es kein Wunder, dass Frau Haberkamp die Anfrage, an der Arbeit der Sektion der Künste teilzunehmen, im Jahr 2007 gerne annahm. Den Schwestern der Verstorbenen gilt unser Mitgefühl für den Verlust eines beharrlichen und ermutigenden Menschen.

Petrus Eder OSB, St. Peter/Salzburg

P. Mag. Thomas Naupp OSB (23. August 1950 – 7. Juni 2023)

Franz Naupp wurde am 23. August 1950 in Hall in Tirol geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in Stans kam er an das Bischöfliche Gymnasium Paulinum in Schwaz, wo er 1970 maturierte. Noch im selben Jahr trat er in Fiecht ein, das seit 1967 der Kongregation von St. Ottilien angehörte. Aus Franz wurde nun Frater Thomas. Kaum hatte er die erste Profess gefeiert, durfte er in Salzburg Philosophie und Theologie studieren. 1977 empfing er Priesterweihe. Abt Gregor Schinnerl schickte den begabten Mitbruder dann an das Institut für Österreichische Geschichtsforschung, wo er 1980 das Staatsexamen in Archivwissenschaft, Bibliothekswesen und Museumskunde ablegte. Anschließend ernannte ihn Abt Schinnerl zum Archivar und Bibliothekar von Fiecht.
In den Fiechter Beständen, aber auch anderswo fand er viel Material für seine historischen Forschungen, aus denen mehr als 350 Publikationen vor allem zur Geschichte seiner Tiroler Heimat hervorgingen. Die Parte seines Klosters fasst das so zusammen: „Er behandelte Großes, Kleines und Kurioses aus der Kloster- und Regionalgeschichte, in einer klaren Sprache und mit einem Blick fürs sprechende Detail“. Zwei seiner Aufsätze erschienen in den „Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige“: Woran litten und starben die Benediktiner von St. Georgenberg-Fiecht? Krankheitsbilder durch 7 Jahrhunderte (1287-1985), in: SMGB 100 (1989), S. 323-412; St. Georgenberg-Fiecht 1703-1953. Die Bedrohungen des klösterlichen Lebens, unter Berücksichtigung der Stiftspfarren in: SMGB 101 (1990), S. 241-378. Als Ergänzungsband der SMGB gab er die Festschrift zum Jubiläum seiner Abtei heraus: „850 Jahre Benediktinerabtei St. Georgenberg-Fiecht, 1138–1988 (= SMGB.E 31), St. Ottilien 1988“. Für die „Germania benedictina“ verfasste er den Artikel: Fiecht – St. Georgenberg, in: Ulrich Faust u. a. (Bearb.), Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol (= GermBen 3/1), S. 434–500. Der ihm befreundete und ihm geistesverwandte Tiroler Autor Martin Reiter brachte die schriftstellerische Tätigkeit von P. Thomas Naupp in eine knappe Formel, in dem er ihn den „Tag- und Nachtschreiber Gottes“ nannte.
Mit den Landeskundlern seiner Heimat war P. Thomas Naupp gut vernetzt. 1988 wurde er in die Historische Sektion der Bayerischen Benediktinerakademie 1988 aufgenommen. Als hohe Anerkennung seiner Arbeit erhielt er 2015 die Verdienstmedaille des Landes Tirol.
All das gelang Pater Tomas Naupp neben seiner Arbeiter als Seelsorger. Von 1980 bis 1993 wirkte er als Kooperator in Achenkirch, von 1994 bis 2010 als Pfarrer von Fiecht und dann für kurze Zeit als Pfarrprovisor in Stans. Zudem unterrichtete er in sechs Volks- und Hauptschulen als Religionslehrer. Nach einer kurzen Sabbatzeit in der Abtei Muri-Gries übernahm er 2011 die Stelle des Pfarrprovisors in der kaum 300 Katholiken zählenden Pfarrei Steinberg am Rofan. Von dort aus erlebte er, wie sein Konvent nach längerer Vorbereitung im Jahr 2019 von Fiecht an seinen ursprünglichen Sitz St. Georgenberg zurückkehrte.
2022 wurde bei Pater Thomas Naupp ihm ein schwer zu behandelnder Krebs festgestellt. Er blieb weiter ein fleißiger Arbeiter und bewies seine Liebe zu Steinberg unter anderem in der am 8. Januar 2023 vom Bayerischen Rundfunk ausgestrahlten Doku „Eiseskälte – Wintergeschichten rund um den Achensee“, in der er vor der Kamera freundlich geistliche und historische Informationen gab. Auch vor den neuen Medien hatte er keine Scheu und legte bereits 2017 einen Youtube-Kanal (https://www.youtube.com/@thomasnaupp/featured) an, in dem er noch zwei Monate vor seinem bereits absehbaren Tod ein Video über Steinberg am Rofan einstellte.
Pater Thomas Naupp starb am 7. Juni 2023. Die Bayerische Benediktinerakademie behält ihn in dankbarer Erinnerung.

Marcel Albert OSB, Gerleve