1972

P. Notker (Leonhard) Würmseer OSB (6. April 1898 – 11. Oktober 1972)

Nach kurzem Aufenthalt im Krankenhaus nahm am 11. Oktober 1972 der Herr unseren P. Notker zu sich. Ein reicherfülltes Leben hat damit sein Ende gefunden. Es begann am 6. April 1898 zu Otterfing im damaligen Landkreis Wolfratshausen. Nachdem Leonhard dort 7 Jahre die Volksschule besucht hatte, trat er im Jahre 1911 gleich in die zweite Klasse des Progymnasiums Schäftlarn ein und studierte hier bis zum Jahre 1915. Im Herbst 1915 begann er im Gymnasium St. Stephan zu Augsburg die damalige 7. Klasse. Die achte übersprang er und schon wenige Monate nach Beginn der neunten Klasse wurde er nach Ablegung eines Notabiturs im Dezember des Kriegsjahres 1916 zum Militärdienst eingezogen. Nach kurzer Ausbildung tat er an der Westfront seinen Dienst bei der Fußartillerie. Noch im Oktober 1918 wurde er – mittlerweile zum Feldwebel und Offiziersaspiranten aufgerückt – mit einer Batterie zum Grenzschutz nach Tirol (Franzensfeste) abkommandiert, konnte aber Ende dieses Jahres seinen Soldatenrock ausziehen.
Am 6. Januar 1919 bat er zusammen mit seinem Mitschüler und lebenslangen Freund, dem späteren Abt Emmanuel Heufelder, um Aufnahme ins Kloster Schäftlarn. Mit ihm zusammen legte er am 16. Februar 1920 unter Abt Sigisbert I. Liebert die zeitlichen und am gleichen Datum 1923 die feierlichen Gelübde ab und empfing am 1. Juli 1923 in St. Anna zu München durch Michael Kardinal Faulhaber die Priesterweihe.
Nach Abschluss der altphilologischen Studien an der Universität München, wozu damals die Prüfungsfächer Lateinisch, Griechisch, Deutsch und Geschichte gehörten, begann P. Notker nach den Osterferien 1927 den Unterricht am Progymnasium Schäftlarn und gleichzeitig die Präfektur für die mittleren Klassen. Im Jahr 1928 wurde er in die erst kurz zuvor gegründete Bayerische Benediktinerakademie als Mitglied der Sectio Theologica aufgenommen. Vom Januar 1931 bis zum April 1933 leitete er im Dienste der Erzdiözese das Spätberufenenseminar in Fürstenried bei München als Rektor.
Als er zum Beginn des neuen Schuljahres 1933/34 nach Schäftlarn zurückkehrte, wurde er von Abt Dr. Sigisbert II. Mitterer als Studiendirektor mit der Leitung des Progymnasiums betraut. Dieses damals sehr schwierige Amt, das durch die Bevormundung und Bedrohung durch die nationalsozialistische Diktatur immer riskanter wurde, übte er bis zur Auflösung der Schule im Juli 1941 aus. – Als nach dem Ende des Krieges die Lehranstalt mit der Berechtigung zum Vollgymnasium im Herbst 1945 wiedererrichtet werden konnte, übernahm P. Notker erneut das Amt des Rektors. Auch jene Jahre des Neuaufbaus nach dem Zusammenbruch einer ganzen Welt waren voll von Schwierigkeiten äußerer wie innerer Art, aber P. Notker hielt durch und erst im Jahre 1967, selber schon 69 Jahre alt und gesundheitlich geschwächt, zog er sich vom Amt des Rektors und zugleich von jeder schulischen Tätigkeit zurück.
Neben dem Schuldienst übte P. Notker auch klösterliche Ämter aus; so war er durch jeweils mehrere Jahre Zellerar, Subprior, Prior und Novizenmeister. Doch erschöpfte sich seine reiche Tätigkeit keineswegs in amtlichen Bereichen. Mit seinem tiefreligiösen, forschenden und grübelnden Geist, dem auch die dichterische Begabung nicht fehlte, widmete er sich immer wieder geschichtlichen Fragen sowie kirchenrechtlichen, moraltheologischen und besonders dogmatisch-aszetischen Problemen.
P. Notkers ganz besondere und wahrhaft väterliche Fürsorge galt durch fast vierzig Jahre der Schwesterngemeinschaft und dem Kinderheim Sankt Hildegard, die er von der Gründung bis zu seinem Tode in hingebender Weise in allen weltlichen und geistlichen Angelegenheiten betreute, förderte und führte. Für die Gemeinschaft bedeutet sein Hinscheiden einen überaus schweren Verlust.
Ein chronisches Herzleiden, das ihm schon seit vielen Jahren immer wieder Schwierigkeiten und Sorgen gemacht hatte, verschlimmerte sich im Herbst 1972 so sehr, dass er am 4. Oktober auf seinen Wunsch zu einem Spezialisten ins Krankenhaus der Benediktinerinnen nach Tutzing gebracht wurde. Doch konnte ihn diesmal, wie er es bereits vorausgeahnt hatte, keine ärztliche Kunst mehr retten. Am Mittwoch, den 11. Oktober früh 7.15 Uhr, verstarb er. Am Freitag, den 13. Oktober, um 15 Uhr, hielten wir ihm unter überaus großer Beteiligung der Bevölkerung in Schäftlarn das Requiem und bestatteten ihn in unserer Gruft zur letzten Ruhe.

Abt und Konvent der Benediktinerabtei Schäftlarn