1991

Professor Dr. Bernhard Bischoff (20. Dezember 1906 – 17. Dezember 1991)

Mit Professor Bernhard Bischof, der in der Nacht zum 7. September überraschend an den Folgen eines Verkehrsunfalls in einer Münchener Klinik verstarb, verlor die Geschichtswissenschaft einen großen Gelehrten. Er war eine jener stillen, bescheidenen Persönlichkeiten, die ganz hinter ihrem Werk zurücktreten und darum einer breiten Öffentlichkeit unbekannt bleiben, weil sie keine Schlagzeilen machen. Er war kein mitreißender Redner. Wer je unter seinen Hörern gesessen hat, weiß, wie anstrengend es bisweilen war, seinen mit leiser, fast gehauchter Stimme vorgetragenen Ausführungen zu folgen. Er überzeugte allein durch das. was er sagte, und die Fülle des Wissens, die er wie selbstverständlich ausbreitete. Auch alle seine Publikationen, deren die Bibliographie über 200 nachweist, sind alles andere als eine leichte Lektüre; kein Satz ist entbehrlich. Wo es um die historische Wahrheit ging, war er kompromisslos. Als ihn Martin Grabmann, den er außerordentlich schätzte, 1953 einmal um einen bestimmten Beitrag für die Zeitschrift „Libri“ bat, lehnte er mit der Begründung ab: „Ich schreibe nicht gerne, wo ich nicht eigene Erkenntnisse zu bieten habe“. Wer war dieser Mann? Es ist schwer, ein Bild von seiner Persönlichkeit zu zeichnen, da er, seiner ganzen Art entsprechend, nichts Autobiographisches hinterließ. Auch die Stellen in seinen Veröffentlichungen, wo er in die Ich-Form verfällt, sind selten.
Als Sohn eines staatlichen Domänen-Pächters wurde Bernhard Bischoff 1906 im sächsischen Altendorf bei Altenburg geboren. Seine Mutter starb bei seiner Geburt. Der Vater zog danach in die Mark Brandenburg und heiratete die Schwester seiner verstorbenen Frau. Ihre nach streng pietistischen Grundsätzen ausgerichtete Erziehung prägte den Stiefsohn nachhaltig. In diesen Jahren wurden wohl auch seine guten Bibelkenntnisse grundgelegt. Mit einem außergewöhnlichen Gedächtnis begabt, erwarb er sich am humanistischen Gymnasium der kleinen Stadt Züllichau (heute Polen) das Rüstzeug für seine spätere Laufbahn. Sein Interesse an der Schrift und Literatur führte den 19jährigen nach dem Abitur an die Universität München zu Paul Lehmann. Unter dem 7. Dezember 1925 steht sein Name zum ersten Mal auch im Benutzerbuch der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek neben anderen bekannten Namen: Grabmann, Duhr, Redlich. Die erste Handschrift, die er bestellte, war der St. Emmeramer Codex Clm 14210, des Hrabanus Maurus „Liber de institutione clericorum“ aus dem 9. Jahrhundert. In späteren Jahren erzählte er einmal von diesem einer Fügung gleichen Anfang in München: „Schon in meinem ersten Semester nahm ich an einem Paläographieseminar teil, das Lehmann abhielt, und sollte über die Abkürzungen in drei Handschriften des 9.Jahrhunderts referieren. Von da ab begann ich viele hundert Handschriften in der Münchener Staatsbibliothek zu untersuchen, ihre charakteristischen Buchstabenformen und Abkürzungen, ihre Schriften zu vergleichen, ihren Aufbau zu studieren, ohne dabei die Texte außer acht zu lassen“. Die gründliche Erforschung aller Details einer Handschrift, der Schrift wie auch der Überlieferungsform, waren für ihn die Voraussetzungen zum Verständnis ihres geistigen Gehalts. „In der Handschriftensammlung… „, erzählte er, „wurde ich nach und nach mit den bis in die karolingische Zeit zurückreichenden Fonds bayerischer Klöster bekannt… Die Schrift oder vielmehr Schriften der Domschule von Freising, der bischöflichen und klösterlichen Schreiber von Regensburg und der Mönche von Benediktbeuern enthüllten sich in ihrer Eigenart als ein ungeschriebenes Stück Geschichte lokaler und regionaler Kultur“.
Im Juni 1933 promovierte Bischoff mit Studien über die Handschriften von St. Emmeram nebst Untersuchungen über die karolingischen Schreibschulen Südbayerns. Schon einen Monat später kam er auf Empfehlung von Paul Lehmann als Assistent zu dem bedeutenden Paläographen E. A. Lowe, um bei dessen umfangreichen Vorhaben, alle lateinischen Handschriften bis zum Jahre 800 zu erfassen und zu beschreiben, mitzuarbeiten. Für Bischoff wurde dieser Schritt schicksalhaft. Über den Tod Lowes (+ 1969) hinaus blieb er dem Werk verbunden, das heute in zwölf Bänden unter dem Titel „Codices Latini Antiquiores“ vorliegt und ein Standardwerk für die Erforschung der lateinischen Spätantike und des frühen Mittelalters geworden ist. Auch wenn Bischoffs Name auf keinem der Titelblätter aufscheint – was ganz in das Bild dieses Mannes passt –, ist sein Anteil daran unschätzbar. Auf seinen Reisen durch nahezu alle europäischen Handschriftensammlungen erwarb er sich eine einmalige Kenntnis vom literarischen Erbe nicht nur der vorkarolingischen Epoche. Über den Rahmen des eigentlichen Projekts hinaus hatte er die Gelegenheit wahrgenommen, in den Bibliotheken auch die karolingischen Handschriften zu studieren und zu beschreiben. Um 1955 fasste er den Plan, diese Forschungsergebnisse in einem „Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts“ zu publizieren, der über 6000 Nummern umfassen sollte. Als er starb, war der Katalog, nach Bibliotheksorten angelegt, bis zum Buchstaben P (Paris) gediehen. Wird er nun ein Torso bleiben? Über die für ihn so fruchtbaren Jahrzehnte mit Lowe hat er sich anlässlich der Verleihung der Goldmedaille der Bibliographical Society in Cambridge am 19. Oktober 1982 entgegen seiner sonstigen Gewohnheit recht ausführlich geäußert.
Verhältnismäßig spät, 1953 nach dem Tod von Professor Lehman, erhielt er den Lehrstuhl für lateinische Philologie an der Universität München. Es ist erstaunlich, dass er trotz der damit verbundenen Verpflichtungen seine Forschungen weiter betrieb und deren Ergebnisse in zahlreichen Publikationen der Fachwelt bekanntgab. So wurde er im Laufe der Jahre zur unbestrittenen Autorität auf seinem Gebiet. Sein Name unter einer Aussage in einer wissenschaftlichen Untersuchung – etwa: „nach Auskunft von Professor Bischoff“ – galt wie eine urkundliche Beglaubigung. Großzügig und selbstlos stellte er sein umfassendes Wissen zur Verfügung, wie die zahllosen Dankesbezeugungen in Einleitungen und Fußnoten wissenschaftlicher Werke belegen; dabei war es einerlei, ob ihn ein namenloser Student oder ein Professor um Rat ansprach. „Was mir gegeben wurde, habe ich nicht in der Erde vergraben und versteckt“, schloss er sein Referat in Cambridge 1982 in Anspielung auf das biblische Gleichnis vom Verwalter.
Allmählich kam ihm ein Echo seines Wirkens zurück: Mitgliedschaften in Akademien, Ehrendoktorate, Orden und Auszeichnungen, auch die Aufnahme in den Orden Pour le Merite. Die Bayerische Benediktinerakademie ehrte sein jahrzehntelanges Forschen über die Rolle und Leistungen des Benediktinerordens 1975 mit seiner Aufnahme in die historische Sektion. Obwohl aus protestantischem Elternhaus stammend, war er in seiner Gesinnung dem Geist dieses Ordens verwandt. Das Ora et labora lag ihm als Lebensmaxime sehr nahe. Eine ganze Reihe von Arbeiten sind auch in den „Studien und Mitteilungen“ veröffentlicht. Die kleine Ausstellung in der Bayerischen Staatsbibliothek anläßlich des Gedächtnisjahres für den hl. Benedikt 1980 eröffnete er mit einem Festvortrag über „Die ältesten Handschriften der Regula Benedicti in Bayern“, der die enge Vertrautheit mit dem Gedankengut des Ordensvaters deutlich zum Ausdruck brachte.
Bernhard Bischoff war kein eng auf sein Fachgebiet beschränkter Gelehrter. Er hatte ebenso einen Sinn für Kunst – eine seiner frühesten Arbeiten trägt den Titel „Literarisches und künstlerisches Leben in St. Emmeram während des frühen und hohen Mittelalters“ –; er liebte Musik, vor allem Bach; er hatte Freude an Schmetterlingen und Steinen und war darin ein guter Kenner. Die umfangreiche Bibliographie seiner Arbeiten vermittelt das Bild eines universalen Gelehrten. So trifft auf ihn das Wort zu, mit dem er den Nachruf auf seinen Lehrmeister und Freund E. A. Lowe schloss: „Dieses Werk … stellt eine bleibende Fundgrube für die an den Texten, seien es ,heilige‘ oder profane, arbeitenden Fächer dar. An ihm wird sich das Andenken an diesen großen Gelehrten und gütigen Menschen … immer wieder erneuern“.

Hermann Hauke, München

P. Prof. Dr. phil. Dr. theol. h. c. P. Kassius Hallinger OSB (8. August 1911 – 24. Oktober 1991)

Am 24. Oktober 1991 ist P. Kassius Hallinger in der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg im Alter von 80 Jahren verstorben. Im Juli 1987 erlitt er in Wildbad Einöd in Kärnten einen schweren Schlaganfall. Seitdem weilte er in der Infirmerie von Münsterschwarzach. Einige Tage vor seinem Tod verschlimmerte sich sein Zustand. Da keine Besserung erreicht werden konnte, wurde er nach Würzburg überwiesen.
Josef Hallinger wurde am 8. August 1911 in Gernsheim am Rhein, Kreis Groß-Gerau in Hessen (Diözese Mainz) geboren. Die Volksschule besuchte er in seinem Heimatort von 1917–1920, dann ebenda die Realschule von 1920 bis 1924. Darauf wechselte er nach St. Ludwig, in das Benediktinergymnasium von Münsterschwarzach, über. Dort studierte er 1924–1926, anschließend am Neuen Gymnasium in Würzburg bis 1930. Am 7. Mai 1930 trat er in die Abtei Münsterschwarzach ein, wurde am 13.Mai 1930 ins Noviziat aufgenommen, erhielt den Ordensnamen Kassius und legte am 14. Mai 1931 seine zeitlichen Gelübde ab, die feierlichen am 9.September 1934. Von 1931 bis 1933 schloss sich in St. Ottilien/Obb. das Studium der Philosophie an, dann das der Theologie an der Alma Julia in Würzburg von 1933 bis 1936. An der Universität belegte er, sehr interessiert an Kirchen- und Ordensgeschichte, ausgewählte Sonderfächer, ferner Geschichte, Kunstgeschichte und Rhetorik. Seine Lehrer waren A. Hagen, S. Merkle, Pfeil, L. Ruland, Seidlmayr, F. Stummer, G. Wunderle und J. Zahn. Am 1. März 1936 empfing er aus der Hand des Würzburger Bischofs Matthias Ehrenfried die Priesterweihe. Danach verbrachte er ein Jahr in Maria Laach zum Studium der Liturgiewissenschaft und Ordensgeschichte. In Münsterschwarzach war er von 1937 bis 1940 als Gastpater, Kantor, Aushilfspater und seit 1939 als Archivar tätig. Im Zweiten Weltkrieg leistete er von 1940 bis 1945 seinen Wehrdienst als Sanitäter an verschiedenen Fronten ab. Nach seiner Entlassung hat sich P. Kassius mit Leib und Seele wieder in der Abtei eingesetzt als Zelator und Archivar. Zwischenhinein besuchte er Vorlesungen in Würzburg und wurde dort am 25. September 1948 zum Doktor der Philosophie promoviert mit der Arbeit: „Gorze-Kluny. Studien zu den monastischen Lebensformen und Gegensätzen im Hochmittelalter“.
In den folgenden Jahren stellte er sein profundes Wissen und alle seine Gaben des Körpers und des Geistes in den Dienst des Internationalen Kollegs S. Anselmo in Rom als Dozent von 1949 bis 1953 und ab 1953 bis 1986 als Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit. In diesen Jahren lernte ihn sein Schüler und späterer Mitarbeiter Joachim F. Angerer kennen, der unseren Heimgegangenen in der „Festgabe für Kassius Hallinger aus Anlass seines 70. Geburtstages“ mit den Worten schildert: ,,An dieser Stelle sei es erlaubt, dem Menschen Hallinger, dessen temperamentvolle, pointierte, geistreiche und sprachlich geschliffene, am klassischen Latein zu messende Lektionen vielen seiner ehemaligen Hörer unvergessen sind, förmlich in den Ohren nachklingen, zu sagen, dass es zumindest seinen Schülern nicht schwer fiel, hinter seiner nur zur Schau getragenen Strenge echte Humanität zu entdecken. Dabei verstand es Hallinger in ganz besonderem Maße, wohl auch wegen seines vitalen Engagements für sein Fach, wegen seiner Neugierde, hinter die Dinge zu schauen, wegen seines Mutes, von einer triumphalistisch, einer glorifizierenden Darstellungsweise all dessen abzugehen, was eben Faktum war, die Abläufe und historischen Gegebenheiten so lebendig und in Begriffen unserer Zeit wiederzugeben und zu gestalten, dass das Allgemeine gewisser Gesetzmäßigkeiten in das Leben des Hörenden, des Individiuum wie insgesamt in die Gegenwart übersetzbar wurde und sich folglich Geschichte nicht nur als eine wissenschaftlich-historische Disziplin, sondern als Ausfluss der ,historia salutis‘ erwies und dem einzelnen zur praktischen Lehrmeisterin werden konnte“ (Studia Anselmiana 85/1985, S. 11).
Neben seiner Lehrtätigkeit in S. Anselmo verfasste er zahlreiche wissenschaftliche Werke, Abhandlungen, Aufsätze, Beiträge, Miszellen und Besprechungen. Die Bibliographie der deutschsprachigen Benediktiner 1880–1986 zählt 65 Nummern auf (SMGB.E 29/1987, S. 791–794). Zu seinem eigentlichen Lebenswerk machte er als Initiator, Leiter und Hauptherausgeber das einzigartige geschichtswissenschaftliche Unternehmen „Corpus Consuetudinum Monasticarum“. „Schon heute kann behauptet werden, dass diese Serie (die bereits mit zwölf Bänden vorliegt) zum Standardwerk geworden ist, in allen großen Bibliotheken der Welt einen Platz gefunden hat, und darüber hinaus, dass die Editionsmethoden des CCM für viele ähnliche wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Vorlage wurden. Um ein solches säkulares Werk schaffen zu können, bedurfte es nicht nur der Gelehrsamkeit, des unermüdlichen und tatkräftigen Einsatzes des ,Editor generalis‘; ein derartiges Unternehmen, bei dem zeitweise bis zu 30 Mitarbeiter beschäftigt waren und teilweise noch sind, erforderte Umsicht, ausdauerndes, geradezu hartnäckiges Durchstehvermögen und ein konstruktives, realistisches Organisationstalent“ (Angerer in Studia Anselmiana 85/1985, S. 14).
P. Kassius war Mitglied der Mainzer Akademie für Mittelrheinische Kirchengeschichte (1950), des Ildefons-Herwegen-Instituts (1966), der Bayerischen Benediktinerakademie (1966); er war Vicepresidente del Comitato Pontificio per le scienze storiche (1974) und Member of the Medieval Academy of America (1975). Für seine hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen erhielt P. Kassius 1973 das Bundesverdienstkreuz I. Klasse der Bundesrepublik Deutschland, 1974 das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst in Gold (I. Klasse) der Republik Österreich und 1977 die theologische Ehrendoktorwürde der Universität Mainz.
Am Donnerstag, den 24. Oktober 1991, starb P. Kassius nach einem reichen, aktiven Leben für die Kirche, für den Orden und für die Abtei Münsterschwarzach. Mit dem Psalmisten kann er sagen: „Viam veritatis elegi!“ (Ps 118) Er ist uns auf diesem beschwerlichen Weg vorangegangen. Dafür danken ihm seine Mitbrüder und Freunde.

Franziskus Büll OSB, Münsterschwarzach

P. Prof. Dr. phil. Edmund Beck OSB (9. November 1902 – 12. Juni 1991)

Am 12. Juni 1991 starb in Deggendorf an den Folgen eines Schlaganfalls P. Dr. Edmund Beck, Benediktiner der Abtei Metten, eines der ältesten Mitglieder der Bayerischen Benediktinerakademie; er stand im 89. Lebensjahr. Am 15. Juni wurde er auf dem Mettener Mönchsfriedhof beigesetzt.
P. Edmund Beck entstammte einer angesehenen und kinderreichen Lehrersfamilie und wurde am 6. November 1902 in Huldsessen bei Eggenfelden im Rottal (Niederbayern) geboren. Ein Erbe seines religiösen Elternhauses waren neben dem christlichen Glauben eine zeitlebens ungebrochene Arbeitsfreude und die Liebe zur Musik. Im Jahr 1913 kam Michael Beck als Schüler an das Gymnasium der Benediktinerabtei Metten und bat nach dem Abitur 1922 um Aufnahme in das Kloster. Bei der zeitlichen Profess am 24. Juni 1923 erhielt der überaus begabte Novize den Ordensnamen Edmund, gewiss in Erinnerung an den 1916 verstorbenen gelehrten Namensvorgänger P. Edmund Schmidt, den Begründer der textkritischen Erforschung der Regula Benedicti. Bereits während der philosophischen und theologischen Studien an der Universität München (1923–1927) traten das lebhafte Interesse Frater Edmunds an den orientalischen Sprachen und seine wissenschaftliche Befähigung deutlich hervor. Nach der Priesterweihe am 29. Juni 1927 aber sollte sich P. Edmund für den Schuldienst am Gymnasium der Abtei vorbereiten und studierte deshalb zunächst 1927/28 in Würzburg und 1928-30 in München Klassische Philologie, Deutsch und Geschichte. Auch in diesen Jahren befasste er sich wie schon während des Theologiestudiums mit orientalistischen Studien (Arabisch, Hebräisch, Koptisch, Syrisch sowie Keilschrift). Nach dem Staatsexamen unterrichtete P. Edmund einige Jahre in Metten, bis der Druck des nationalsozialistischen Regimes die Schließung der Schule im Frühjahr 1939 erzwang. P. Edmund nutzte den erzwungenen Ruhestand zur Fertigstellung einer semitistischen Dissertation zum Thema „Die Koranzitate bei Sibawaih“, mit der er 1939 in München bei Professor Otto Pretzl (1893-1941) zum Dr. phil. promoviert wurde.
Der junge Doktor wurde sogleich als Professor für orientalische Sprachen an die benediktinische Ordenshochschule S. Anselmo in Rom gerufen, wo er 1939–1961 und nochmals kurzzeitig 1967/68 lehrte. Die Tätigkeit des Professors P. Edmund Beck erschöpfte sich nicht in dem mühevollen Unterricht der Studenten in Hebräisch, Arabisch oder anderen Sprachen des Vorderen Orients. Er entfaltete auch eine reiche literarische Wirksamkeit und publizierte in den vierziger und fünfziger Jahren zahlreiche Aufsätze zum Koran, die hauptsächlich in der vom Päpstlichen Bibelinstitut herausgegebenen Zeitschrift „Orientalia“ erschienen. Bald aber wandte er sich jenem Autor zu, der bis zum Tod sein wissenschaftliches Arbeiten bestimmen sollte: dem hl. Kirchenlehrer Ephräm dem Syrer, dem Theologen und Hymnendichter des 4. Jahrhunderts. 1949 ließ P. Edmund in den Studia Anselmiana (Bd. 21) die Abhandlung „Die Theologie des hl. Ephraem in seinen Hymnen über den Glauben“ erscheinen; in derselben Reihe folgten 1951 „Ephraems Hymnen über das Paradies. Übersetzung und Kommentar“ (Bd. 26) und 1953 „Ephraems Reden über den Glauben. Ihr theologischer Lehrgehalt und ihr geschichtlicher Rahmen“ (Bd. 33). Außerdem publizierte er einige Aufsätze zu Ephräm in verschiedenen Organen. In diesen Jahren nahm P. Edmund auch das Vorhaben einer kritischen Gesamtausgabe der Werke Ephräms mit deutscher Übersetzung in Angriff. Diese Ausgabe ist von 1955 bis 1979 erschienen und liegt heute in 38 Bänden des Corpus Scriptorum Christianorum Grientalium vor, ein gewaltiges Werk, das P. Edmund ohne Mitarbeiter geschaffen hat. Es sicherte seinem Namen unter den Orientalisten einen hervorragenden Platz. Eine Vortragseinladung nach Kairo 1973 und die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Irakischen Christlichen Akademie der Wissenschaften 1979 waren äußere Zeichen der hohen Wertschätzung der Fachkollegen.
Der wissenschaftlichen Arbeit blieb P. Edmund Beck auch weiterhin verpflichtet, als er 1961 von Rom nach Metten zurückkehrte, um elf Jahre lang erneut als Lehrer am Gymnasium der Abtei zu wirken. Neben dem Unterricht arbeitete er an der Ephrämedition und -Übersetzung und legte in den folgenden Jahren zahlreiche Fachpublikationen vor. Im Einzelnen seien genannt vier Monographien in der Subsidia-Reihe des Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium (Ephräms Polemik gegen Mani und die Manichäer im Rahmen der zeitgenössischen griechischen Polemik und der des Augustinus, 1978; Ephräms des Syrers Psychologie und Erkenntnislehre, 1980; Ephräms Trinitätslehre im Bild von Sonne/Feuer, Licht und Wärme, 1981; Dorea und Charis. Zwei Beiträge zur Theologie Ephräms des Syrers, 1984) sowie viele Aufsätze, die er nun bevorzugt der von der Görres-Gesellschaft getragenen Zeitschrift Oriens Christianus anvertraute, dazu einige Lexikonartikel (vgl. Bibliographie der deutschsprachigen Benediktiner 1880-1980, Bd. 1 [SMGB.E 29/I], St. Ottilien 1985, 35 f.; künftig das vollständige Schriftenverzeichnis, das derzeit in Vorbereitung ist und in Oriens Christianus erscheinen wird). Nachdem er als Siebzigjähriger aus der Schule ausgeschieden war, konnte er sich der wissenschaftlichen Arbeit noch fast zwei Jahrzehnte lang bis wenige Tage vor seinem Tod mit ganzer Intensität widmen.
Der Bayerischen Benediktinerakademie gehörte P. Edmund als ordentliches Mitglied der theologischen Sektion seit 1950 an. Er ist in ihr nicht besonders in Erscheinung getreten, wie es seinem zurückhaltenden und fast scheuen Wesen entsprach. Selbst manche Fachkollegen kannten P. Edmund Beck nur aus der Literatur oder aus sogar jahrzehntelangen brieflichen Kontakten und sind ihm nie persönlich begegnet. Die Benediktinerakademie darf es sich freilich zur Ehre anrechnen, diesen Gelehrten von internationalem Rang in ihren Reihen gehabt zu haben. Der Konvent der Abtei Metten aber hat mit ihm nicht nur einen großen Gelehrten, sondern auch einen bescheidenen und liebenswürdigen Mitbruder verloren.

Stephan Haering OSB, Metten