2003

Dr. Josef Hemmerle (12. Dezember 1914 – 30. Oktober 2003)

Am 30. Oktober 2003 verstarb nach einmonatiger schwerer Krankheit der frühere Direktor des Bayer. Hauptstaatsarchivs München Dr. Josef Hemmerle. Der Verstorbene gehörte unserer Akademie seit 1965 an. Sein hervorragendes berufliches Wirken, das ihn an die Spitze eines der bedeutendsten Archive Europas brachte, wird von kundiger Seite an anderer Stelle gewürdigt werden. Wir wollen hier in großer Dankbarkeit der Verdienste Hemmerles um die benediktinische Geschichte Bayerns gedenken. Dank seines Bemühens um das Projekt Germania Benedictina konnte bereits 1970 der Band Bayern von ihm bearbeitet im Druck erscheinen. Die hohe Auflage dieses Werkes ist inzwischen vollständig vergriffen und harrt einer erweiterten Neuauflage unter Einschluss der Frauenklöster. Das größte Werk Hemmerles, sein eigentliches Lebenswerk, ist die Bearbeitung der Benediktinerabtei Benediktbeuern im Rahmen der Germania Sacra. Hatte dieses Kloster schon durch P. Carl Meichelbeck im 18. Jh. die erste kritische Klostergeschichte erhalten, so ist Hemmerles vorbildliches Werk die erste Darstellung eines bayerischen Benediktinerklosters nach den Richtlinien der Germania Sacra und hat bisher nur mit Wessobrunn eine Fortsetzung erfahren. Josef Hemmerle gibt uns über seinen Tod hinaus Impulse für die Germania Benedictina und Germania Sacra in Bayern. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Ulrich Faust OSB, Ottobeuren

Prof. Dr. Dr. h.c. Johannes Duft (14. Februar 1915 – 20. Juni 2003)

Am 20. Juni dieses Jahres starb der frühere Stiftsbibliothekar von St. Gallen Prälat Prof. Dr. Johannes Duft. Er gehörte der Benediktinerakademie seit 1965 an und war besonders in den 1970er und 1980er Jahren eines der profiliertesten Mitglieder der Historischen Sektion. Bei der Jahrestagung 1972 in Füssen begegnete ich Prälat Duft zum ersten Mal. Er beeindruckte mich besonders durch seine hervorragende Predigt während des Pontifikalamtes des Ottobeurer Abtes in der ehemaligen Klosterkirche St. Mang. Wer hätte die Frühgeschichte der Abtei Füssen in ihren Zusammenhängen mit St. Gallen lebendiger darstellen können als er. Wenn ich als Dekan ihn später zu unseren Jahrestagungen einlud, entschuldigte er sich stets mit einem höflichen Brief und wies auf seine Altersbeschwerden hin. Als wir 1994 von St. Gerold aus St. Gallen besuchten, ließ er es sich dennoch nicht nehmen, uns persönlich die Kathedrale von St. Gallen zu erklären.
Von 1948-1981 leitete der Verstorbene die Stiftsbibliothek von St. Gallen. Auch nach seiner Pensionierung beschäftigte er sich weiterhin mit der Geschichte St. Gallens. In zahlreichen Veröffentlichungen erforschte er die Handschriftenschätze seiner Bibliothek und setzte sich mit dem vielfältigen Erbe der Abtei auseinander. Seine Freunde nannten ihn voll Bewunderung „den letzten Mönch des Klosters St. Gallen“. In seiner 30. und letzten Monographie: ,,Kostbar ist der Tod. Tröstliche Geschichten vom Sterben im mittelalterlichen Galluskloster“ setzte sich Prälat Duft wohl auch mit seinem eigenen Sterben auseinander.

Ulrich Faust OSB, Ottobeuren

P. Laurentius (Lars) Koch OSB (17. März 1936 – 29. März 2003)

Als der Ettaler Konvent am 29. März dieses Jahres 2003 im Refektorium das Tischgebetvor dem Mittagessen sprach, fiel P. Laurentius plötzlich um wie ein Baum und erlag einem Herzinfarkt, mit dem er allerdings seit langem als der ihm bestimmten Todesart gerechnet hatte. Mitten im gemeinsamen Gebet mit seinen Mönchen starb auch der hl. Benedikt, und so wurde dieser Heimgang des mit 67 Jahren noch voller Pläne steckenden und oft auswärts weilenden Mitbruders zu einem tröstlichen Zeichen, seine monastische Berufung besiegelnd.
Erst mit 31 Jahren war er nach einer Ausbildung als Buchhändler und dem Abschluss seines Theologiestudiums an der Münchener Universität ins Kloster eingetreten, und sogleich am Tag seiner Profess im Jahr 1968 rückte er auf zwölf Jahre als Erzieher ins Internat ein und wenige Jahre später als Religionslehrer in die Schule, wo er bald auch Geschichtsunterricht in der Mittelstufe übernahm und schließlich auf Jahre hin an unserem Ettaler Gymnasium der erste Lehrer für das neue Fach „Wirtschaft und Recht“ wurde.
Die religiöse Formung der Jugend lag ihm am Herzen, nicht zuletzt durch jugendgemäße Gottesdienstgestaltung, und so wurde eine in Text und Musik von einer Schüler-Band eigens geschaffene Messe ein würdiges Geschenk zu seiner 1972 empfangenen Priesterweihe. Zur Übernahme der Fachleitung in Religion ab 1983 kam zwei Jahre darauf die Mitarbeit beim Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung (ISB) in dem Arbeitskreis, der die Lehrpläne in katholischer Religion an den bayerischen Gymnasien zu überarbeiten hatte.
Vielseitige Welterfahrung und wertvolle persönliche Kontakte brachte P. Laurentius schon aus seiner Schulzeit am Münchener Maxgymnasium mit, wo die Verbindung zur Familie von Eugen Jochum für seine Konversion zum katholischen Glauben bedeutsam wurde. Auch seine verwandtschaftliche Beziehung zu bayerischen Adelsfamilien machten ihn für Kultur und Kulturgeschichte schlechthin sensibel und aktiv, bis hin zur Volkskunst und Volksmusik.
Nicht erst als Klosterarchivar seit 1973 und vor allem als Custos ecclesiae und damit zuständig für denkmalpflegerische Fragen widmete er sein Interesse vielerlei historischen und vor allem kunsthistorischen Themen, die immer weiter über das Kloster Ettal selbst hinausgriffen, so dass sich seine wissenschaftlichen Aufsätze in verschiedensten Zeitschriften, Sammelwerken und Ausstellungskatalogen finden und ihn als Fachmann zumal für die Zeit des Barocks ausweisen.
Seine Aktivitäten führten zuletzt zur Mitwirkung bei der Gründung der Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive (AGOA), deren Vorsitz ihm zufiel und sogleich erhöhten Einsatz verlangte, als es um ein gemeinsames Vorgehen der Ordensgemeinschaften angesichts des hochgespielten Themas „NS-Zwangsarbeiter in kirchlichen Institutionen“ ging.
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass zu all dieser Vielseitigkeit sein bewusster Einsatz als priesterlicher Seelsorger gehörte, den er über 20 Jahre hin im Rahmen des Pfarrverbands Bad Kohlgrub leistete, zuletzt bis 2001 offiziell als „ständige teilzeitliche Seelsorgemithilfe“.
Dass P. Laurentius Koch 1981 als ordentliches Mitglied der Historischen Sektion in die Bayerische Benediktinerakademie berufen wurde, war nach allem hier Angeführten eine logische Folge. Den Abschluss eines noch spät in Würzburg aufgenommenen Studiums durch eine Promotion in Kunstgeschichte mit einer Dissertation über den churbaierischen Hofmaler Georg Desmarees erlebte er allerdings leider nicht mehr.

Angelus Waldstein OSB, Ettal

Prof. Dr. phil. Peter Ochsenbein (15. Juli 1940 – 13. März 2003)

Die Historische Sektion der BBA trauert um ihr Mitglied Prof. Dr. Peter Ochsenbein, der am 13. März 2003 im Alter von 62 Jahren gestorben ist. Wie sein Vorgänger und sein Nachfolger gehörte der Alt-Stiftsbibliothekar von St. Gallen unserer Akademie an, in die er 1991 gewählt worden war. 1993 hatte er in der Abtei St. Bonifaz in München den Festvortrag bei der Jahrestagung über Notker Balbulus von St. Gallen unter dem Motto „Laeta mente canamus Deo nostro“ gehalten. Dabei zeigte sich seine profunde Kenntnis der mittelalterlichen Literatur St. Gallens und regte die Versammlung zu einer lebhaften Diskussion an. Unsere Sektionstagungen hat er fast immer besucht und fühlte sich offensichtlich wohl bei uns. Eine fröhliche Stimmung verbreitete er stets um sich und spielte gegenüber keinem anderen seine überlegenen wissenschaftlichen Kenntnisse aus. Im Gegenteil, er hatte die beneidenswerte Gabe, nahezu jedem Gesprächspartner das Gefühl zu geben, sein Freund zu sein. Schon unter schwerer Atemnot leidend, kam er noch im Herbst des vergangenen Jahres zu unserer Tagung in Benediktbeuern. Auch dort war er ein lustiger, gern gesehener Kollege, der uns in Zukunft sehr fehlen wird. Als er sich einmal zu einem Diskussionsbeitrag meldete, erteilte ich ihm das Wort: „Und nun Prof. Storchenbein“. Es dauerte nicht lange, bis ein Mitbruder – in Unkenntnis der Hintergründe – empört zu mir kam und mich auf mein ungehöriges Verhalten hinwies. Peter Ochsenbein dagegen lachte und freute sich mit der Bemerkung: „Nun bin ich auch zu literarischer Bedeutung gelangt“.
Vor einem Jahr fuhr ich nach den Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Stiftsarchivar Dr. Werner Vogler mit dem Ehepaar Ochsenbein nach Pfäfers. Ich war gerade mit der Redaktion eines größeren Beitrages über Pfäfers für unsere Zeitschrift „Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens“ beschäftigt. Dieser Besuch und Ochsenbeins Erklärungen waren mir eine große Hilfe zum Verständnis der Geschichte dieses ehemaligen Klosters. Aber besorgt fragte ich mich, wie lange er die Krankheit noch überstehen werde. Die Todesnachricht kam deshalb für mich nicht unerwartet. Kurz zuvor hatte er mir eine Besprechung des Buches von Prälat Duft: „Kostbar ist der Tod“, geschickt. Am Schluß schreibt er: „Der Rezensent kann dieses Buch bestens empfehlen, schliesslich sind wir alle auch einmal an der Reihe, wenn Freund Hain auch mit uns – drohend oder freundlich – einen Luftsprung tut“. Nun war Peter Ochsenbein an der Reihe. Unsere herzliche Anteilnahme gilt seiner lieben Frau Rosemarie Ochsenbein. Wir haben im Oktober in Weltenburg für Peter Ochsenbein eine Messe gefeiert und werden ihn in dankbarer Erinnerung behalten.

Ulrich Faust OSB, Ottobeuren