1976

P. Dr. phil. Paulus Volk (3. März 1889 – 4. Oktober 1976)

Im hohen Alter von nahezu 88 Jahren starb in Maria Laach P. Paulus Volk, seit 1966 außerordentliches Mitglied der Historischen Sektion der Bayerischen Benediktinerakademie. Mit ihm verlor seine Heimatabtei einen international anerkannten Gelehrten und Forscher, wohl auch einen der letzten Vertreter einer ganz bestimmten, noch vom Historismus geprägten Typ eine Historikergeneration.
P. Paulus, dessen Familie aus Koblenz stammte, wurde am 3. März 1889 in Hagenau im Elsass geboren und fühlte sich zeit seines Lebens als Elsässer. Nach Gymnasialstudien in Hagenau und Straßburg trat er 1909 in die rheinische Abtei ein und legte 1911 die erste Profess ab. Da er mitten aus dem Theologiestudium in Beuron 1915 zum Militärdienst in ein Heidelberger Lazarett einberufen wurde, knüpfte er mit Einwilligung von Abt Ildefons Herwegen nach seiner Priesterweihe 1917 Beziehungen zur dortigen Universität an und begann unter so bedeutenden Lehrern wie K. Hampe, H. Oncken, A. Cartellieri und O. Gradenwitz dort seine Studien, die er ab 1919 in Bonn am Rhein bei A. Schulte, W. Levison, H. Schrörs, A. Erhard, A. M. Koeniger und anderen fortsetzte und schließlich mit seiner bei A. Schulte vollendeten Dissertation „Studien zum Liber ordinarius des Lütticher St. Jakobklosters“ (veröffentlicht in erweiterter Form als Heft 10 der „Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens“ [Münster 1923]) abschloß. Bereits mit dieser Arbeit kündigte sich insofern ein Programm an, als Reformgedanke und Reformprogramme zum eigentlichen Thema des Forschens und Edierens von P. Paulus Volk wurden, wobei er sich immer mehr auf die Bursfelder Union spezialisierte, deren Leben und dessen schriftlicher Niederschlag in Urkunden, Archivalien und Briefen schließlich seine Lebensarbeit voll und ganz ausfüllte. Die Krönung dieses Werkes war die Edition der Generalkapitels-Rezesse der Bursfelder Kongregation, die P. Paulus 1955 mit dem 1. Band begann und 1972 mit dem 4. Band (Register) abschließen und im Juni 1973, soeben von schwerer Krankheit genesen, Papst Paul VI. in einer Spezialaudienz überreichen konnte. Nicht zuletzt seine zahlreichen Arbeiten zur Geschichte Bursfeldes und der Bursfelder Union trugen ihm eine Reihen wissenschaftlicher und öffentlicher Ehrungen ein: Zum Mitglied wählten ihn 1947 die Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte, 1948 die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, 1949 der Beirat des Corpus Catholicorum, 1961 zum korrespondierenden Mitglied die Akademie der Wissenschaften in Göttingen und 1966 in gleicher Eigenschaft die Bayerische Benediktinerakademie. Wenige Monate vor seinem Tode zeichnete ihn noch die Regierung des Landes Niedersachsen mit dem Niedersächsischen Verdienstorden 1. Klasse aus, den für ihn in Bursfelde selbst Abt Urbanus Bomm am 13. Juni 1976 entgegennahm. Die Universitäten Mainz (1950, 1951, 1953), Straßburg (1951) und Göttingen (1952) luden ihn zu Gastvorlesungen ein, im gleichen Sinne dozierte er auch im Studienjahr 1959/60 in Sant‘Anselmo in Rom. Seine Bibliographie zählte ohne die Rezensionen und zahlreichen Lexikonartikel bis 1963 108 Nummern. P. Paulus‘ Forschen war von einem mit seltenem Spürsinn ausgezeichneten Finderglück begünstigt. Die sicher gehandhabte Editionstechnik vieler kleinster, größerer und langer Texte begründeten mit Recht sein Ansehen.
So hochbegabt und kritisch der Geist P. Paulus‘ war und seinen Aufgaben nachging, so labil war oft die Gemütsverfassung des Mönches P. Volk. So suchten seine Äbte oft genug die Gastfreundschaft anderer Klöster für ihn nach. Was ihn aber stets auszeichnete und ihn immer wieder in die Heimatabtei zurückführte war seine unbeirrbare Liebe zum Mönchtum und Chordienst, wie er sie verstand, d. h. geprägt von einem Liturgieverständnis und einem monastischen Selbstverständnis, wie er ihm in den Quellenschriften der Bursfelder Union begegnete. Dazu kam ein wissenschaftlicher Eros, den ein großer Fleiß auszeichnete und der mit ungewöhnlicher Ausdauer gepaart war. So verdanken ihm fast alle Abteien, in denen er kürzere oder längere Zeit als Gast verbachte, wichtige Beiträge zu ihrer Geschichte. Die Gelehrten, denen er begegnete, rühmen zurecht seine große Hilfsbereitschaft, mit der er auf jede Anfrage antwortete und weiterzuhelfen suchte, seine Anspruchslosigkeit und seinen Humor. Diese Eigenschaften öffneten ihm die Türen zur Bürokratie und erschlossen seiner arglosen Zudringlichkeit oft genug unerwartete Hilfen für die Verwirklichung seiner Pläne. In den letzten Jahren oft in seinem Bewusstsein verwirrt und durch schwere Krankheit hinfällig, zeigte die Frömmigkeit des großen Gelehrten überraschend naive und kindliche Züge – Eigenschaften, die sich bekanntlich nicht ausschließen. R. i. p.!

Emmanuel v. Severus OSB, Maria Laach