1993

P. Maurus Kramer OSB (7. August 1900 – 13. Oktober 1993)

Franz Kramer kam als achtes von insgesamt zwölf Kindern des Bahnwärters Johann Kramer und seiner Frau Monika, geb. Altthaler, am 7. August 1900 in Terfens/Unterinntal zur Welt und wurde noch am selben Tag getauft. Als er acht Jahre alt war, übersiedelten seine Eltern nach Stans (bei Schwaz). Täglich, wenn Franz zu Fuß in die Volksschule nach Schwaz stapfte, fielen seine Blicke unweigerlich auf das nahe gelegene Benediktinerstift Fiecht, das seine spätere Wirkungsstätte werden sollte. 1911 kam der Volksschüler als sog. Juvenist ins Kloster Fiecht und wurde von hier aus ans Josefinum nach Volders geschickt, um zunächst die unteren fünf Klassen des humanistischen Gymnasiums zu besuchen.
Da das Gymnasium in Volders keine Oberstufe führte, musste Franz Kramer die restlichen Klassen am Borromäum in Salzburg machen. Wie es zu jenen Zeiten an kirchlichen Schulen vielfach üblich war, bekam der Obergymnasiast bereits nach der siebten Klasse (1918) den Benediktinerhabit, legte als Frater Maurus das Noviziatsjahr in Fiecht ab und trat schließlich nach seiner einfachen Profess im Jahr 1919 in die Maturaklasse ein, wobei er 1920 die Reifeprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg bestand. Die philosophisch-theologischen Studien absolvierte der begabte Kleriker Fr. Maurus bei den Jesuiten am Collegium Canisianum in Innsbruck.
Auf Grund einer „kirchlichen Altersdispens“ konnte der Theologe Fr. Maurus bereits am 30. November 1923 im Xaveriushaus in Feldkirch zum Priester geweiht werden (das Studium dauerte noch bis zum Sommer 1924!). Die Primiz feierte der Neupriester am 10. Dezember darauf in St. Georgenberg. Das Sakrament der Priesterweihe erteilte ihm der damalige Weihbischof von Brixen und Generalvikar für Vorarlberg, der nachmalige Erzbischof von Salzburg, Dr. Sigismund Waitz. Abt Josef Hagmann schickte den Neupriester an die Lehrerbildungsanstalt nach Innsbruck, wo P. Maurus 1924/25 den sog. Abiturientenkurs belegte. Danach unterrichtete er zunächst als Probelehrer an der Fiechter Volksschule. Seine definitive Anstellung erfolgte erst, nachdem er die Lehrbefähigungsprüfung abgelegt hatte (1928). P. Maurus‘ Erziehertätigkeit (Internat) erstreckte sich von 1929–1938; sie wurde nur kurz unterbrochen 1931/32, als er als Kooperator nach Achenkirch kam.
Im Fiechter Knabenkonvikt waren schon ab 1933 Bestrebungen im Gange, eine Hauptschule zu installieren, was 1935/36 auch gelang. P. Maurus musste jetzt noch einmal auf die Studierbank; er belegte in Innsbruck die Fächer Deutsch, Geschichte und Naturgeschichte. Nach Approbation seiner Hausarbeiten aus Pädagogik und Deutsch und nach Ablegung der Lehrbefähigungsexamina mit gutem Erfolg, erteilte er an der nunmehrigen Konvikt-Hauptschule die entsprechenden Gegenstände und wurde gleichzeitig als Regens mit der Leitung des Internates betraut.
1936 war P. Albert Grauß zum neuen Abt von St. Georgenberg-Fiecht gewählt worden; er bestimmte den tüchtigen Pädagogen und den unverkennbaren Schulmeister zu einem seiner engsten Mitarbeiter (Abts- und Kapitelssekretär). Doch bald schon musste das Tiroler Kloster bittere Zeiten erleben. Nachdem die NSDAP 1938 in Österreich die Macht ergriffen hatte, verfügte diese neue Regierung noch im selben Jahr die Schließung des Konviktes und der Klosterschule.
P. Maurus – seiner Lieblingstätigkeit beraubt – kam für ein Jahr in die Stiftsverwaltung und war dort u. a. für die Lohnabrechnung der Dienstboten zuständig. Mussten die Fiechter Benediktiner bereits im Herbst 1938 zwei Drittel ihres Klostergebäudes und sämtliche Felder des landwirtschaftlichen Betriebes dem Militär überlassen, so wurde am 4. Oktober 1940 auch noch der restliche Teil des Stiftes von den Machthabern des Dritten Reiches beansprucht. Der Konvent richtete sich nun behelfsmäßig ein bescheidenes Hospiz auf St. Georgenberg ein, ehe am 16. Mai 1941 auch das Bergkloster aufgehoben wurde. Viele Mitbrüder, selbst Abt Albert Grauß, mussten den „Gau Tirol-Vorarlberg“ schleunigst verlassen; einige waren den Schikanen und Verhaftungen der Gestapo ausgesetzt.
Während der Kriegsjahre weilte P. Maurus als Pfarrer (1940–1945) in seinem Geburtsort Terfens, wo er gerade in der bedrängten Zeit den Pfarrkindern eine echte Stütze und ein geradliniger Seelenhirte war. Der verbannte Abt Grauß ernannte den Terfner Pfarrvikar zusätzlich zur Kontaktperson („vicarius abbatis“) für die in der Heimat weilenden Mitbrüder, die den Gau Tirol-Vorarlberg nicht verlassen mussten. Unmittelbar nach Kriegsende bestellte die provisorische Landesregierung P. Maurus zum Treuhandverwalter für den Stiftsbesitz.
In der Tat ist es auch dem energischen und dynamischen Mitbruder zu verdanken, dass wenigstens die noch auffindbaren Paramente und kirchlichen Gerätschaften (Kelche, Monstranzen, Rauchfässer, Leuchter, Altarglocken und dergleichen mehr), die einst dem Stift gehörten und an verschiedene Orte verschleppt worden waren, wieder zurückgebracht wurden. Auch wertvolle Bücher und Archivalien (vornehmlich Urkunden), die aus Sicherheitsgründen von nicht nationalsozialistisch gesinnten Landesarchivbeamten z. T. in die Stollen des ehemaligen Haller Salzbergwerkes verbracht worden waren, traten auf Drängen des P. Maurus bald ihren Rückzug nach St. Georgenberg an (Fiecht war ja noch bis 1953 besetzt).
Ein großes Anliegen war den inzwischen „aus fremden Gauen“ zurückgekehrten Konventualen, die bis 1955 auf St. Georgenberg lebten, die baldige Wiederherstellung des Talklosters in Fiecht; als erstes wollte man die Stiftskirche, die während des Krieges missbräuchlich verwendet wurde, restaurieren. Dafür trug P. Maurus gemeinsam mit dem umsichtigen Stiftsökonom, P. Rupert Rundl, die Hauptverantwortung.
Seine frühen und innigen Beziehungen zum Kloster Fiecht, seine Vertrautheit – nicht nur mit der Stiftsgeschichte, sondern auch mit der Geschichte Tirols und mit der Ordensgeschichte –, und nicht zuletzt seine Ausbildung zum Geschichtslehrer waren ausschlaggebend dafür, dass ihn Abt Grauß nach dem Tod des langjährigen Stiftsarchivars, P. Hugo Santer (+ 1948), zu dessen Nachfolger bestellte.
Hatte P. Maurus als junger Lehrer und Präfekt bereits in der Zwischenkriegszeit kleinere Artikel und Aufsätze veröffentlicht, so schritt er – nach genauer Durchsicht der archivalischen Quellen – an die ihm von seinem Abt gestellte Aufgabe, eine Stiftsgeschichte zu verfassen. Sie konnte bereits 1954 (1. Auflage) im Umfang von 67 Seiten im Selbstverlag der Abtei Fiecht erscheinen. Die von vielen sehnlichst erwartete, überaus gelungene Schrift erlebte – noch durch die Hand desselben Autors – 1977 (EOS Verlag St. Ottilien) eine zweite Auflage, die, um die Geschichte der inkorporierten Pfarreien erweitert, auf 107 Seiten anwuchs. Verständlicherweise war zur ersten Auflage eine intensive Forschungsarbeit notwendig. Man staunt, dass P. Maurus, der seit 1949 Prior war und von 1951–1953 als Pfarrer von Stans fungierte, das alles in dieser kurzen Zeit bewältigen konnte. Die Stiftsgeschichte ist auch das gelungenste Werk von seinen insgesamt 30 vorwiegend kleineren Publikationen.
Ab 1955 allerdings musste er leiser treten; es war nämlich eine dritte Kropfoperation (nach 1921 und 1943) notwendig geworden, die nicht ganz glücklich verlaufen ist und zu einer unangenehmen Lähmung der Stimmbänder führte. Mit dem Handicap einer stark geschwächten Stimme musste der passionierte Lehrer nun leben. 1961 kam eine besorgniserregende Herzattacke hinzu.
Anlässlich seines 50-jährigen Priesterjubiläums legte P. Maurus sowohl das Amt des Priors als auch das des Pfarrers zurück (1973). Die Diözese verlieh ihm für seine Verdienste den Titel „Geistlicher Rat“ und die Bayerische Benediktinerakademie ehrte ihn im selben Jahr mit der Mitgliedschaft. Der so „ausgezeichnete“ Ordensmann bekleidete die Posten des Archivars und Bibliothekars noch bis 1979.
Im Alter von fast 80 Jahren, zu Ostern 1979, suchte sich P. Maurus einen festen Alterssitz, auf dem er aber keineswegs untätig war. Seine letzte Wirkungsstätte war das St. Josefs-Institut in Mils bei Hall i. T., in dem die Barmherzigen Schwestern (auch Zamser Schwestern genannt) z. T. schwerstbehinderte Menschen betreuen. Bis zu seinem 88. Lebensjahr bekleidete er den Posten des Hauskaplans fast mühelos. Tag für Tag teilte er durch seine durchdachten und zugleich verständlichen Messeinführungen geistliches Brot an die Ehrwürdigen Schwestern aus. Ebenso war er ein gesuchter Beichtvater und Seelenführer. Die behinderten Heiminsassen verehrten den verständigen Priester. Um diese Leute besser verstehen und begreifen zu können, griff P. Maurus im hohen Alter zu Fachliteratur und studierte z.B. eingehend das Phänomen des Mongolismus.
Als aber ab 1989 seine Kräfte immer mehr abnahmen, pflegten ihn die dortigen Schwestern mit viel Liebe und Aufopferung. Am 13. Oktober 1993 verstarb P. Maurus im 94. Lebensjahr im Sanatorium in Hochbrunn/Innsbruck an Altersschwäche. Jeder, der P. Maurus gekannt hat, schätzte ihn als aufrichtigen Priester und Mönch. Durch seine Fähigkeiten und seinen unermüdlichen Einsatz hat er viel für seine klösterliche Gemeinschaft getan. Am Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg aufgehobenen Stiftes St. Georgenberg-Fiecht hat er maßgeblichen Anteil, wie er überhaupt die Klostergeschichte des 20. Jahrhunderts wesentlich mitgestaltete.

Thomas Naupp OSB, Fiecht

P. Dr. Rhabanus Haacke OSB (21. Mai 1911 – 28. Juni 1993)

P. Rhabanus Haacke OSB ist so gestorben, wie er gelebt hat. Er war eine Säule, ein Mann, der unbeirrt seinen Weg durch die Zeit ging. Noch in der Morgenfrühe des 28. Juni 1993 war er zur Eucharistie in einem Schwesternkonvent, mittags feierte er mit der Mönchsgemeinde die Tageshore, und als alle zum Tischgebet vor dem Essen versammelt waren, fiel er um und war sofort tot. Ein Herzinfarkt hat seinem bis dahin unbeugsamen Leben ein schnelles Ende bereitet.

Der Verstorbene war am 21. Mai 1912 in Meppen geboren, stammte aus einer treuen katholischen Familie und war mit Abt Ildefons Schulte-Strathaus verwandt. Seine philosophisch-theologischen Studien absolvierte P. Rhabanus in Osnabrück und Rom, wo er abschließend zum Doktor der Theologie promoviert wurde. 1936 wurde er zum Priester geweiht. Seine römisch-jesuitische Schulung begleitete ihn sein Leben lang, auch noch nachdem er bereits in den Benediktinerorden eingetreten war. Als junger Priester kümmerte er sich besonders um die Menschen in der Millionenstadt Hamburg. Dort wurde er 1944 von den nationalsozialistischen Machthabern vor den Volksgerichtshof gebracht und zu zehn Jahren Haft in Hamburg-Fuhlsbüttel verurteilt. Er hatte mit der Todesstrafe gerechnet und war von dem „milden“ Urteil überrascht. 1945 wurde er von den Alliierten befreit.
Nach dem Krieg begann für P. Rhabanus ein neues Leben. 1946 bat er um Aufnahme in die Benediktinerabtei St. Michael in Siegburg. Seine ersten Gelübde legte er 1947 ab. Schon bald wurde er in verschiedenen Seelsorgebereichen eingesetzt. Als „Fachmann“ übertrug ihm der Abt die Sorge um die Gefangenen im Siegburger Gefängnis; als gebildeter Theologe hielt er Religionsunterricht am Annogyrnnasiurn; schließlich wurde er Präfekt am St. Maurus-Internat auf dem Michaelsberg. Besonders als Internatspräfekt schloss er manche Freundschaften mit Schülern, die noch lange Jahre nachher Bestand haben sollten.
Schon während dieser mehr von der Seelsorge geprägten Zeit konnte P. Rhabanus nicht ganz seine wissenschaftliche Herkunft verleugnen. Eine größere Zahl von Kleinschriften gab er damals heraus. Nicht unumstritten war sein Buch: „Rom und die Cäsaren – Geschichte des Cäsaropapismus“, Düsseldorf 1947. Vor der Liturgiereform des zweiten vatikanischen Konzils gab er in Zusammenarbeit mit dem Verlag Bachem, Köln, Texte heraus, die die Gläubigen besser zur Mitfeier der täglichen Eucharistie hinführen sollten; es war eine Kleinschrift mit den Gebeten und Lesungen der Wochentage des Kirchenjahres. Als dogmatische Schrift dieser Zeit wird man das Buch „Eucharistie in der Glaubenslehre“, Köln 1960, bezeichnen können.
Der eigentliche Durchbruch wissenschaftlicher Tätigkeit gelang dem Verstorbenen, als er sich mit dem wohl bedeutendsten Theologen, der jemals in der Abtei Siegburg wohnte, zu beschäftigen begann: Rupert von Deutz. Rupert war zu Beginn des 12. Jahrhunderts Gast in Siegburg und wurde von dem damaligen dritten Abt Kuno in hervorragender Weise motiviert und unterstützt. P. Rhabanus war von seinen Werken, die bis dato nur in der Ausgabe von Migne vorlagen, begeistert. Schon 1947 hatte er Ruperts Werk „De divinis officiis“ beim Corpus Christianorurn in Turnholt ediert.
Um aber eine kritische Ausgabe des Gesamtwerks von Rupert herausbringen zu können, mussten zuerst die Handschriften der rupertschen Werke gesichtet werden. Durch die Hilfe der Siegburger Prix A. G. war es P. Rhabanus und seinem Mitbruder P. Mauritius ermöglicht, in den wichtigsten Bibliotheken Europas nach diesen Handschriften zu forschen und sie dann auf Mikrofilm aufzunehmen. Die Ausbeute war gewaltig, und damit war die technische Grundlage für die enorme Arbeit geschaffen, die nun P. Rhabanus mit großem Elan anging. So konnte nach langer Schaffenspause Ruperts Werk „Cornrnentaria in Evangelium Sancti Johannis“, Turnholt 1969, in Druck gehen. 1970 gab P. Rhabanus in den Monumenta Gerrnaniae Historica Ruperts Werk „De victoria verbi Die“ heraus, das in Weimar gedruckt wurde. In den nun folgenden Jahren 1971 bis 1979 erschienen dann im Corpus Christianorum die übrigen Werke Ruperts von Deutz, sechs Bände insgesamt, eine großartige Leistung der Mediävistik. Leider hat sich P. Rhabanus nicht mehr mit dem letzten der rupertschen Werke beschäftigt: „In Apocalypsim commentarius“; nach eigenen Aussagen war er nicht mehr mit seinen Augen in der Lage, die Mikrofilme zu entziffern. Trotzdem wird man sagen können, dass mit P. Rhabanus einer der besten Kenner des Rupert von Deutz gestorben ist.
Diese Kenntnis übertrug er auch in die Deutung anderer Werke des Mittelalters, so z. B., wenn er den Annoschrein deutete und in Zusammenhang mit dem Domchor zu Köln und den Gemälden der Schwarzrheindorfer Doppelkirche brachte: „Programme zur bildenden Kunst in den Schriften Ruperts von Deutz“ – Siegburger Studien IX, Siegburg 1974. Dass P. Rhabanus sich nicht nur um Editionen mühte, sondern dass es ihm auch um die Deutung der Werke des mittelalterlichen Theologen ging, erfährt man in der Arbeit „Die mystischen Visionen Ruperts von Deutz“ (Recherches de Theologie ancienne et medievale, Leuven 1980).
Ende der siebziger Jahre wurde P. Rhabanus von der „Germania Benedictina“ gebeten, den Band über die „Benediktinerklöster in Nordrhein-Westfalen“ zu koordinieren und zu edieren. Mit großem Elan ging er an diese Arbeit. 1980 konnte der EOS-Verlag St. Ottilien diesen bedeutenden Band VIII herausgeben. Was für eine enorme Leistung hinter dieser Arbeitstand, werden am besten die beurteilen können, die auf die anderen Bände dieser Reihe noch jahrelang warten mussten. Die Mühe um die Herausgabe der Werke Ruperts wie auch die Erforschung benediktinischer Geschichte mag dazu den Ausschlag gegeben haben, dass P. Rhabanus 1980 als Mitglied in die Bayerische Benediktinerakademie aufgenommen wurde – für einen Norddeutschen sicher eine hohe Auszeichnung.
In den achtziger Jahren erinnerte sich P. Rhabanus wieder mehr seiner theologischen Jugend. So widmete er sich der Herausgabe des Hohenliedkommentars Ludwig de Pontes (1554–1624), eines spanischen Jesuiten. Über die Bedeutung dieser Werke berichtet P. Rhabanus in „Beiträge zur Marienkunde“, Siegburger Studien XXII, Siegburg 1988. Das 1622 von De Ponte herausgegebene Opus wurde 1986 in Siegburg im Verlag Fr. Schmitt als Reprint in zwei Foliobänden herausgegeben. Mit großem Eifer besorgte P. Rhabanus zusammen mit Herrn Becker aus Königswinter die Übersetzung fast des gesamten Werkes. Das 1. Buch – Ludwig de Ponte SJ, „Das Hohelied, ausgelegt auf alle Mysterien und Tugenden der christlichen Religion“, wurde 1990 ediert. Durch den Tod von P. Rhabanus mag eine weitere Veröffentlichung der noch sicher sechs Bücher einer deutschen Übersetzung in Frage gestellt sein.
Der Historiker P. Dr. Rhabanus Haacke OSB war als Theologe eher der Vergangenheit verhaftet, vielleicht sogar ein wenig starr und unbeweglich. Das aber berührte nicht seine Schaffenskraft und schon gar nicht seine Menschlichkeit. Auch nach härtesten Diskussionen über die Fragen der modernen Exegese oder der christlichen Ethik war er immer wieder der Mensch und Mitbruder, mit dem man ohne Vorbehalt in ein neues Streitgespräch eintreten konnte. Seine Menschlichkeit verband er mit einer gewissen Liebenswürdigkeit, gepaart mit einem Schuss guten Humors. In ihm hat die Wissenschaft einen hervorragenden Kenner des Mittelalters, der Konvent einen liebenswürdigen Menschen, viele seiner Freunde einen guten Menschen verloren. R.I.P.

Placidus Mittler OSB, Siegburg

P. Aegidius Kolb OSB (13. August 1923 – 22. März 1993)

Am späten Nachmittag des 22. März erfüllte sich für unseren lieben Mitbruder P. Aegidius Kolb die seit Monaten immer wieder geäußerte Hoffnung, sein Leben in Gottes Hände zurückgeben zu dürfen. Ein langer Weg der Mühsal und Beschwerden fand damit ein Ende.
Rudolf Kolb wurde am 13. August 1923 in Sonthofen als einziges Kind des königlichen Hofbeamten a. D. Adolf Kolb und seiner Gemahlin Karolina, geb. Hölzle, geboren. Seine Mutter, von Beruf Hauptlehrerin, verlor er schon im Alter von neun Jahren. Nach dem Besuch der Volksschule und einem etwa einjährigen Aufenthalt im Juvenat der Redemptoristen in Gars kam er 1935 in das bischöfliche Knabenseminar zu Dillingen. 1941 wurde er für mehrere Monate zum Reichsarbeitsdienst und anschließend zum Militärdienst eingezogen. Nach Kriegsende begann er zunächst in Dillingen mit dem philosophisch-theologischen Studium, entschloß sich aber dann im Dezember 1945 zum Eintritt in die Benediktinerabtei Ottobeuren, wo ihm von Abt Dr. Joseph Maria Einsiedler der hl. Aegidius als klösterlicher Namenspatron gegeben wurde. Am 11. Januar 1947 legte er die zeitliche Profess ab, um anschließend in Dillingen und später in München sein Theologiestudium fortzusetzen. Am 15. Januar 1950 folgte die feierliche Profeß, und am 21. Mai 1950 weihte ihn der Augsburger Bischof Dr. Josef Freundorfer in Dillingen zum Priester. Nach etwa zweijähriger Kaplanstätigkeit in Ottobeuren wurde er Seelsorger in der benachbarten Pfarrei Lachen, ab 1954 als deren Pfarrvikar. Nebenbei war ihm schon damals die Betreuung des Klosterarchivs übertragen.
Zur Vorbereitung der 1200-Jahrfeier der Abtei in das Kloster zurückgerufen, wuchs er mehr und mehr in die Aufgabe des wissenschaftlich tätigen Historikers hinein, die ihn schließlich weit über Ottobeuren hinaus bekannt machte. Mit seiner Arbeit über den Kult des seligen Abtes Rupert schuf er eine wichtige Grundlage für die offizielle Anerkennung dieses Kultes durch die Kirche im Jahre 1963. Große Verdienste erwarb er sich durch den Aufbau der Jubiläumsausstellung 1964. Seine anschließende Neuordnung des Klostermuseums fand so große Anerkennung, dass ihm zu dieser Zeit auch das Amt des Kustos des Museums und des Bibliothekars der alten Bibliothek übertragen wurde. Als Frucht des Jubiläums entstand 1966 die Ottobeurer Studienwoche, deren Sekretär P. Aegidius für viele Jahre war. Sein historisches Interesse und seine wissenschaftlich wertvollen Veröffentlichungen führten zur Aufnahme in die Bayerische Benediktinerakademie. Etwa 25 Jahre hindurch stellte er sich dort für das Amt des Dekans der historischen Sektion zur Verfügung. Von P. Romuald Bauerreiß übernahm er in den sechziger Jahren die Aufgabe des Hauptschriftleiters der „Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige“. Auf seinen Vorschlag beschloss die Bayerische Benediktinerakademie die Herausgabe eines Handbuchs zur Geschichte des benediktinischen Mönchtums im deutschen Sprachraum: „Germania Benedictina“. Die Haupt-redaktion dieses Projektes lag für viele Jahre in seinen Händen.
P. Aegidius war Vorstandsmitglied der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft und des Augsburger Bistumsgeschichtsvereins. Als Kreisheimat- und Kreisarchivpfleger erwarb er sich Verdienste um die schwäbische Kulturpflege. In den zahlreichen Beileidsbekundungen nach seinem Tod wird er als ein „rühriger Anreger und Gelehrter bezeichnet, als ein Mann, der mit großer Begeisterung an der Erforschung der Geschichte Schwabens mitgearbeitet hat“, als ein „in den Jahren seines Wirkens äußerst belebendes Element“, als „Heimatpfleger im umfassenden Sinn, dem es gelang, schwäbische Kultur, benediktinische Tradition und Heimatverbundenheit überzeugend zu vermitteln“. Seine Bibliographie umfasst zahlreiche Titel. Als letzte Arbeit, an deren rechtzeitiger Fertigstellung ihm sehr viel lag, erschien vor etlichen Jahren, als sich das langsam nahende Ende seiner Leistungsfähigkeit schon deutlich ankündigte, eine Beschreibung der Ottobeurer Wallfahrt zu Unserer Lieben Frau von Eldern. Eine Reihe öffentlicher Auszeichnungen zeugte von der Wertschätzung und der ihm zuteil gewordenen Anerkennung. Er war Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande und des Bayerischen Verdienstordens, Inhaber der Sieben-SchwabenMedaille und der Landkreis-Ehrennadel.
P. Aegid war ein sehr geselliger, den Freuden des Lebens keineswegs abgeneigter Mensch. Viele schätzten ihn als einen humorvollen und liebenswerten Freund. Für andere war er ein Allgäuer Original, ein Mönch, der nicht in eine Schablone passt. In einem Kondolenzschreiben heißt es: ,,In seiner stattlichen Erscheinung und mit seinem sprühenden Geist verkörperte er für viele von uns eine Institution: ein barocker Mönch aus dem Schwabenland, ein leidenschaftlicher Streiter für sein Stiftsarchiv, ein einfallsreicher Wissenschaftler“.
Was ihm außerhalb des Klosters uneingeschränkte Sympathie einbrachte, fand freilich innerhalb des Klosters – wie sollte es anders sein – nicht immer in gleicher Weise Bewunderung. Nicht immer konnte es ihm gelingen, die Bewältigung der umfangreichen Aktivitäten und Verpflichtungen, die er im Laufe der Jahre eingegangen war, mit der monastischen Lebensordnung in Einklang zu bringen. P. Aegidius blieb auch als Mönch ein ausgeprägtes Individuum. Doch verhalfen ihm das Gewicht seiner liebenswerten Persönlichkeit, die Anerkennung seiner Verdienste und seine lange Krankheit, die er zu tragen hatte, zu ehrlicher mitbrüderlicher Zuneigung.
Die meisten Menschen, die P. Aegidius kannten, erlebten ihn als einen Mann, der sich immer wieder gezwungen sah, seine Arbeit durch krankheitsbedingte Pausen zu unterbrechen. Zu einem alten Herzleiden gesellten sich seit einigen Jahren weitere gesundheitliche Störungen, die ihn zum Schluss noch für lange Zeit ans Bett fesselten. Von diesem für ihn bedrückenden Dasein hat ihn nun Gottes Barmherzigkeit erlöst. Am Freitag, dem 26. März, haben wir seinen sterblichen Leib unter sehr großer Beteiligung der Bevölkerung in der Klostergruft zur Ruhe gebettet.

Vitalis Altthaler OSB, Ottobeuren