1973

P. Karl Mindera SDB (29. Juni 1906 – 9. Januar 1973)

Nach schwerem Leiden erlosch das Leben eines Priesters und Gelehrten, der die meiste Zeit seines Wirkens einer der ehrwürdigsten benediktinischen Stätten diesseits der Alpen gewidmet hatte, bis zur Erschöpfung seiner Kraft.
Zu Wien am 26. Juni 1906 geboren, verlor der junge Karl sehr früh seine Eltern und fand Geborgenheit im Schoße der Ordensfamilie der Salesianer des hl. Johannes Bosco. Nach den ersten Gymnasialjahren in Wien kam er 1923 nach Bayern ins Noviziat zu Ensdorf. In dieser einstigen Abtei der Oberpfalz begegnete er erstmals der benediktinischen Geschichte und Tradition in diesem Lande. Nach Abschluss der Gymnasialstudien in Burghausen 1928 weilte der junge Kleriker ein Studienjahr in Turin, um 1931 zur Fortsetzung der Theologie nach Benediktbeuern zu kommen, wo er am 28. Mai 1933 seine Priesterweihe empfing. Ein weiteres Studium in Innsbruck unterbrachen die unguten politischen Verhältnisse. Umso mehr begann P. Mindera mit Benediktbeuern, seinem Kloster, dem Gotteshaus als auch dessen gesegneter Landschaft zu verwurzeln. Über sein Lehramt der Kirchen- und Christlichen Kunstgeschichte an der dortigen Ordenshochschule und sein intuitives Einfühlungsvermögen wurde er geradezu identifiziert mit diesem Kloster, seiner Geschichte und der Kunst seines Bauwerkes. Sein Leitbild wurde der große Sohn dieses Stiftes: P. Karl Meichelbeck, dessen Werk ihm nicht nur Vorbild war, sondern geradezu zur zweiten Natur wurde. Nicht von ungefähr kam es, dass ihm seine Hörer diesen Namen heimlich gaben. Doch während jener die großen Bauperioden Benediktbeuerns miterlebte, erstand seinem „Nachfolger“ die sicher schwierigere Aufgabe, das Bauwerk zu erhalten und zu bewahren. Dem Professor gelang es, die Studenten zu begeistern, mit ihm Hand anzulegen, die Stuckaturen abzukratzen und Übertünchungen freizulegen. In unzählbaren Stunden und Mühen erhielt das Kloster wieder die ursprüngliche Schönheit, die lange Zweckentfremdung nach der Säkularisation verdorben hatte. Doch wie eben kein monasterium ohne seine Landschaft denkbar ist, so galten Liebe und Interesse dieses Forschers ebenso dem Umland, seiner Geschichte und seiner Bewohner.
Viel Verschüttetes deckte er auf, Verlorenes trug er zusammen. Eifriges Forschen fand reichen Niederschlag in zahlreichen Arbeiten aus seiner Feder, wie die stattliche Bibliographie aufzuweisen vermag. Die wohl schwierigste und sorgenvollste Aufgabe kam auf P. Mindera zu, als sich 1962 schwerste Bauschäden am Benediktusmünster bedrohlich zeigten. Vom Bischof zum hauptamtlichen Custos ernannt und bevollmächtigt, unterzog er sich der Aufgabe einer Restaurierung, deren Ausmaße zunächst noch gar nicht abzusehen waren. Mit bewundernswertem Geschick verstand er es, nicht nur mit seinem Kirchenpfleger und den Getreuen der Pfarrei Begeisterung zum Handanlegen zu wecken, sondern auch Verantwortung und Hilfsbereitschaft, wo diese nötig und möglich war. Seine Liebe zu Benediktbeuern fand vielseitiges Echo.
Dem Forscher und tatkräftigen Praktiker ward auch gebührend Dank und Anerkennung zuteil. Die Gemeinde verlieh ihm das Ehrenbürgerrecht. Wir Benediktiner durften ihn als einen der Unsrigen ehren durch die Berufung als Mitglied unserer Academia Benedictina. Papst und Bischof dankten ihm mit Anerkennung seiner bleibenden Verdienste.
Das große Werk der Restaurierung des Benediktusmünsters ging seiner Vollendung entgegen, da zeigten sich die ersten Anzeichen völliger Erschöpfung als Folge rastlosen, opferbereiten Wirkens. Schwersten Folgen wiederholter Erkältungen war P. Mindera nicht mehr gewachsen. Es war schmerzlich, mit dem Todkranken noch die letzten Planungen zu besprechen, um die Festlichkeiten zum Abschluss der Rettung und Wiederherstellung des Gotteshauses und seiner Erhebung zur Basilica minor vorzubereiten. Wenige Monate vor diesem letzten großen Ziel seines Lebens und Wirkens nach diesen 11jährigen Mühen und Sorgen rief ihn Gott am 9. Januar 1973 in sein ewiges Reich. Das Begräbnis am 13. Januar war eine Bestätigung der Liebe und Dankbarkeit, die ihm gebührte, als sein blumenübersäter Sarg noch einmal in festlichem Geleit um den ganzen Klosterbereich gefahren wurde, dem er sein Leben schenkte mit allen Fasern seines Wesens. In der Gruftkammer der nördlichen Seitenkapelle harrt nun, was sterblich an ihm war, neben seinem Vorbild Karl Meichelbeck der Auferstehung. Er war ein Geschenk Gottes. R. i. P.

Aegidius Kolb OSB, Ottobeuren