2025

P. Dr. phil. Gregor Jäggi OSB (16. April 1954 – 23. Juli 2025)

In einem Nachruf auf der Onlineplattform kath.ch wurde er als eine der «Säulen» der Einsiedler Klostergemeinschaft bezeichnet: Pater Gregor Jäggi, der in der Nacht auf den 24. Juli nach geduldig ertragener Krankheit im Alter von gerade mal 71 Jahren verstorben ist. Seine grosse Hilfsbereitschaft und sein profundes Wissen hatten sich in verschiedenen Aufgaben gezeigt, die er im Schweizer Benediktinerkloster in den vergangenen drei Jahrzehnten übernommen hatte: Als Dozent für Theologie in Einsiedeln und Chur, Historiker, Archivar, Novizenmeister, Subprior sowie gefragter Beichtvater und Seelsorger. Zuletzt beeindruckte er mit seinem Gottvertrauen und seiner Geduld, mit der er seine schwere Krankheit trug.
Geboren wurde Pater Gregor als Peter Jäggi am 16. April 1954 im solothurnischen Gerlafingen. Nach dem Besuch der Primarschule wechselte er im Frühjahr 1967 an die Kantonsschule Solothurn, wo er 1974 die Matura bestand. Mit dem entsprechenden Diplom in der Tasche zog er im gleichen Jahr nach Fribourg, wo er das Studium der Geschichte und Geografie aufnahm. Eine Stelle als Hilfsassistent während fünf Jahren brachte ihn erstmals mit Archiven in Berührung. Dass Peter offenbar zur vollsten Zufriedenheit seiner Professoren arbeitete und studierte, zeigte sich spätestens während eines freien Studienjahres in Paris ab Herbst 1981, als er von seinem ehemaligen Pfarrer und nunmehrigen Basler Bischof Anton Hänggi (1917–1994) auf Empfehlung seiner Fribourger Professoren zum Archivar des Bistums Basel ausersehen wurde. Dies hatte zur Folge, dass Peter nach erfolgreicher Lizentiatsprüfung in Fribourg 1982 nach Rom ging und sich dort an der Scuola di Paleografia zwei Jahre lang intensiv auf die Tätigkeit als Archivar vorbereitete.
Während seines Studiums in Fribourg wohnte Peter im Salesianum, einem Haus, das ursprünglich für Theologiestudenten und angehende Priester erbaut worden war. Während seines Studienjahres in Paris betätigte er sich darüber hinaus in der katholischen internationalen Studentengemeinde. Regelmässig besuchte er auch die Vesper und die Abendmesse in St-Gervais. In Rom schliesslich wohnte Peter als Gast im Campo Santo Teutonico. Der Glaube bedeutete ihm also viel. Und schon länger überlegte er sich, diesem in seinem Leben mehr Raum zu geben.
Im Herbst 1984 trat Peter aber erst einmal sein Amt an der bischöflichen Kurie in Solothurn an. Die Arbeit gefiel ihm gut, doch hinderte sie ihn daran, sich konzentriert seiner Doktorarbeit zu widmen. Deshalb entschied er sich 1989, die Stelle aufzugeben und sich ganz auf die Forschung zu fokussieren.
Die wissenschaftliche Arbeit gefiel Peter, schien ihn aber nicht vollends zu erfüllen. Nach längerem Ringen führte ihn schliesslich die Sehnsucht nach einem tieferen religiösen Leben ins Kloster Einsiedeln – und zwar am 4. Oktober 1990. Hier wurde ihm während der Zeit seiner Kandidatur und des Noviziats Gelegenheit zur Abfassung seiner Dissertation gegeben. Darin untersuchte er den Klerus in drei westschweizerischen Kleinstädten des ausgehenden Mittelalters. Im Juni 1992 erlangte er schliesslich das Doktorat, noch als Novize. Die Arbeit – ein Paradebeispiel akribischer Archivstudien – publizierte er 1994 unter dem Titel „Untersuchungen zum Klerus und religiösen Leben in Estavayer, Murten und Romont im Spätmittelalter (ca. 1300–1530).“
Am 4. Oktober desselben Jahres legte Peter die Einfache Profess ab und erhielt den Namen Gregor. Frater Gregor studierte ein weiteres Jahr an der damals noch bestehenden hauseigenen Theologischen Schule, um dann in den folgenden Jahren in Rom seine Studien weiterzuführen: Zunächst in S. Anselmo bis zum Baccalaureat, danach an der Universität Gregoriana mit Abschluss eines weiteren Lizentiates im Jahr 1997. Zwischenzeitlich hatte er die heiligen Weihen durch den Einsiedler Mitbruder und damaligen Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Amédée Grab, empfangen: An Epiphanie 1996 die Diakonats- und am Hochfest Peter und Paul desselben Jahres die Priesterweihe. 
Als Lehrer an der hauseigenen Theologischen Schule und später auch an der Theologischen Hochschule in Chur konnte er sein umfangreiches Wissen und seine scharfsinnige Auseinandersetzung mit diversen Themen gezielt vermitteln. Seine Vorlesungen waren anspruchsvoll, aber nicht minder spannend.
P. Gregor war allerdings nicht nur ausserordentlicher Gelehrter, sondern auch Vorbild im Glauben. Verhältnismässig früh in seinem klösterlichen Leben und kaum aus Rom zurückgekehrt wurde er so zum Novizenmeister berufen. Über Jahre hinweg war er auch gewähltes Mitglied im Consilium, dem äbtlichen Rat, sowie während neun Jahren Subprior. Genauso wichtig für sein Selbstverständnis, aber auch für seine Wahrnehmung von aussen war seine Tätigkeit als Archivar, die er seit 2012 wahrnahm.
In den letzten zwei, drei Jahren machten sich immer grössere gesundheitliche Herausforderungen bemerkbar. Konzentrations- und Sehschwierigkeiten, Schlaflosigkeit, kleinere Aussetzer. Im vergangenen Oktober wurde als Grund hierfür ein Hirntumor diagnostiziert, was zu mehreren Operationen führte. Die Krankheit schwächte ihn so sehr, dass er ihr am späten 23. Juli erlag.
Als Historiker machte sich Pater Gregor vor allem in der Erforschung der Geschichte des Bistums Basel einen Namen, wobei es ihm besonders Bischof Friedrich Fiala (1817–1888) angetan hatte, der sich nach dem Kulturkampf als weiser Brückenbauer hervortat. Pater Gregors 1999 und 2013 erschienenen zwei Bände über die Geschichte des Bistums Basel sind eindrückliche Standardwerke, nicht zuletzt deshalb, weil er es verstand, die ungeheure Masse an Literatur und Quellen meisterhaft zu analysieren, zu kontextualisieren und verdichtet auf den Punkt zu bringen. Selbstverständlich widmeten sich viele seiner Publikationen aber auch der Geschichte seines über tausendjährigen Klosters, der berühmten Wallfahrtsstätte im Herzen der Schweiz. Sein jüngstes Werk war dabei ein kunsthistorischer Führer in der Reihe «Schweizerische Kunstführer» der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, den er als Mitautor verfasste.
Seine Klosterzelle glich einer Bibliothek. Gleichwohl band sich Pater Gregor nicht an seinen Schreibtisch. Vielmehr ging er hinaus und vermittelte sein immenses Wissen interessierten Studierenden. Dabei präsentierte er ihnen in seinen intellektuell anspruchsvollen Lehrveranstaltungen eine breite Palette an Themen, von der Schweizer Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts bis hin zum Geschick der Kirche im Laufe der Zeit auf anderen Kontinenten. Dabei waren seine Ausführungen stets ausgewogen und nie polemisch.
Diese Charaktereigenschaften machten ihn auch als gefragten Seelsorger und Beichtvater aus. Denn Pater Gregor war nicht nur ein stiller, in sich gekehrter wissenschaftlicher Gelehrter erster Güte. Er war eben auch Seelsorger, Christ und Mönch, der nicht nur mit Worten predigte, sondern das Gesagte auch selbst vorlebte – und zwar auf beeindruckender Weise. So wird er von vielen in bester Erinnerung gehalten, ja sehr vermisst.

Thomas Fässler OSB, Einsiedeln

Professor Dr. theol. Ernst Reiter (5. Januar 1926 – 12. Januar 2025)

Nur wenige Tage nach Vollendung seines 99. Geburtstags verstarb der Eichstätter Kirchenhistoriker Prof. em. Dr. Ernst Reiter am Sonntagmorgen, den 12. Januar 2025.
Ernst Reiter wurde am 5. Januar 1926 als drittes von zehn Kindern eines Schusters und Brandmetzgers in Hilpoltstein, Mittelfranken, geboren und wuchs, was er gerne mit einem gewissen Stolz betonte, in ärmlichen Verhältnissen auf. Priester zu werden war für ihn schon als Kind ein Herzenswunsch. Mit diesem Ziel vor Augen konnte er seit 1936 als Zögling des Eichstätter Knabenseminars St. Wunibald das Gymnasium besuchen. Im Jahre 1943 wurde er mit 17 Jahren als Luftwaffenhelfer eingezogen und kam 1944 bis 1948 in englische Kriegsgefangenschaft. In England wurde es ihm ermöglicht, sich in einem sogenannten Studienlager auf das Abitur vorzubereiten und die Reifeprüfung abzulegen. So konnte er nach seiner Heimkehr sofort ins Eichstätter Priesterseminar eintreten. Am 29. Juni 1953 wurde er von Bischof Dr. Joseph Schröffer in Eichstätt im Hohen Dom zu Eichstätt zum Priester geweiht.
Nach kurzem Einsatz als Kooperator in Monheim war er von 1958 bis 1960 Direktor des Bischöflichen Knabenseminars St. Wunibald in Eichstätt und zugleich Archivar des Ordinariatsarchivs. Zudem unterrichtete er von 1956 bis 1960 als Religionslehrer am Humanistischen Gymnasium in Eichstätt. 1960 wurde er zu weiterführenden Studien in Bonn beurlaubt, die er 1963 mit der Promotion bei Professor Hubert Jedin zum Thema „Martin von Schaumberg, Fürstbischof von Eichstätt (1560–1590) und die Trienter Reform“ abschloss. 1964 übernahm er die Professur für Kirchengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Eichstätt – ab 1980 Katholische Universität –, zunächst vertretungsweise und ab 1968 bis zu seiner Emeritierung 1991 als Ordinarius für Mittlere und Neue Kirchengeschichte. Als engagierter Lehrer prägte er mehrere Generationen von Studierenden.  In der Forschung waren seine wissenschaftlichen Spezialgebiete die Katholische Reform im Bistum Eichstätt während des 15. und 16. Jahrhunderts, die deutsche Kirchengeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus sowie die Eichstätter Diözesangeschichte. Durch zahlreiche Publikationen zu diesen und weiteren Themen hat er sich weit über den universitären Bereich einen Namen gemacht. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Verdienste in der Kirchen- und hier insbesondere der Ordensgeschichte wurde er im Jahre 1986 in die Historische Sektion der Bayerischen Benediktinerakademie aufgenommen, eine Ehre, die er sehr zu schätzen wusste. Im kirchlichen Bereich setzte er sich auf vielfältigste Weise ein. So engagierte er sich mit großer Hingabe für die Ökumene. Von 1968 bis 1976 war er Diözesanbeauftragter für Ökumene und von 1972 bis 1976 Vorsitzender der Ökumene-Kommission des Bistums Eichstätt.
Prof. Reiter war auch für den Eichstätter Historischen Verein aktiv. Mehrere Jahre lang war er dessen Vorsitzender und betätigte sich auch als Redakteur der „Zeitschrift Sammelblatt des Historischen Vereins Eichstätt“. Von Bischof Dr. Alois Brems hierzu bestellt, versah er von 1983 bis 2015 bei den Benediktinerinnen der Abtei in St. Walburg den Dienst als Spiritual. Seinen Ruhestand verbrachte Reiter, zuletzt ältester Priester der Diözese Eichstätt, im Caritas-Seniorenheim Greding. Trotz zunehmender körperlicher Schwäche verfolgte er auch dort mit wacher Anteilnahme die Entwicklung von Kirche und Welt. R.I.P.

Maria Magdalena Zunker OSB, St. Walburg/Eichstätt