2014

Prof. Dr. phil. Alfred Wendehorst (29. März 1927 – 3. September 2014)

Alfred Wendehorst stammte aus dem nördlichen Rheinland, wo er in der Kleinstadt Breyell unweit der niederländischen Grenze am 29. März 1927 geboren und aufgewachsen ist. Nach überstandenem Krieg legte er 1946 am Stiftischen Humanistischen Gymnasium in Mönchengladbach die Reifeprüfung ab und begann ein Studium der Geschichte, der Philosophie und der Sprachwissenschaft, das ihn von Köln nach Würzburg führte. Dort fand er in Otto Meyer seinen Doktorvater, der ihn 1951 mit einer ungedruckt gebliebenen Dissertation über „Die Bestrebungen Alberts des Großen um die rechte Ordnung in Welt und Kirche“ promovierte. Ein darauf beruhender, bis heute lesenswerter Aufsatz (MIÖG 64, 1956) zeigt, dass er die Bibelkommentare Alberts im Hinblick auf Kritik an zeitgenössischen Missständen im Klerus durchgearbeitet und damit bereits einen Zugang zum kirchlichen Alltag im späteren Mittelalter gefunden hat.
Nach der Promotion entschied sich Wendehorst für den Archivarsberuf und ging 1953 als Referendar des Bistumsarchivs Würzburg nach Wien, um als Mitglied am Ausbildungskurs des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung teilzunehmen. Seine Abschlussarbeit war eine Untersuchung und Edition der Tabula formarum Curie episcopi, des Formularbuchs der Würzburger Bischofskanzlei von etwa 1324, die 1957 in den „Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg“ erschien. Damit war der Weg in die fränkische Kirchengeschichte geebnet, der er den größten Teil seines Lebenswerkes gewidmet hat. Als hauptamtlicher Diözesanarchivar in Würzburg (von 1956 bis 1965, nebenamtlich noch bis 1972) und freier Mitarbeiter des 1956 gegründeten Max-Planck-Instituts für Geschichte in Göttingen bearbeitete er kontinuierlich das Quellenmaterial zur Geschichte der Würzburger Bischöfe und wurde zum Pionier der Neuen Folge der Germania Sacra, als er 1962 die Behandlung der Bischofsreihe bis 1254 als deren Band 1 vorlegen konnte. Mit den Vorarbeiten zum Folgeband, der bis 1455 reichte und 1969 herauskam, wurde er 1964 in Erlangen für Mittlere und Neuere Geschichte sowie Historische Hilfswissenschaften habilitiert. Nach einer Lehrtätigkeit als a. o. Professor für fränkische Kirchengeschichte in Würzburg (seit 1965) folgte er 1972 dem Ruf auf den landesgeschichtlichen Lehrstuhl in Erlangen, den er in der Nachfolge Gerhard Pfeiffers bis zu seiner Emeritierung 1994 innehatte. Daneben war er zwanzig Jahre lang wissenschaftlicher Leiter der Gesellschaft für fränkische Geschichte und Herausgeber des Jahrbuchs für fränkische Landesforschung.
Im Mittelpunkt seiner gelehrten Arbeit stand jahrzehntelang die Kärrnerarbeit an der Germania Sacra, der „Historisch-statistischen Beschreibung der Kirche des Alten Reiches“, die dort, wo sich die Reformation nicht durchgesetzt hat, alle Epochen bis zur Schwelle des 19. Jahrhunderts umgreift. Nach den beiden genannten Bänden über die mittelalterlichen Würzburger Bischöfe hat Wendehorst in geduldiger Mühe noch einen weiteren für die Zeit bis 1617 erarbeitet (1978) und darüber hinaus das Stift Neumünster in Würzburg (1989), die in Thüringen gelegenen Stifte Schmalkalden und Römhild (1996) sowie die Benediktinerabtei (später Kanonikerstift) St. Burkhard in Würzburg (2001) in ihrer historischen Entwicklung dokumentiert. Aus von Erich Freiherrn von Guttenberg hinterlassenen Materialien formte er einen Germania Sacra-Band über die mittelalterliche Pfarrorganisation des Bistums Bamberg (1966), und noch 2006 erschien in der Germania Sacra sein Band über die Eichstätter Bischöfe bis 1535. Ganz diesem Muster verpflichtet ist zudem sein letztes Buch über Kloster Banz (2009). Der unschätzbare Wert solcher Bände liegt vor allem darin, dass sie eine Fülle von ungedruckten Archivalien systematisch aufbereiten und der vergleichenden Auswertung zugänglich machen. Natürlich boten sie auch schon ihrem Bearbeiter Anregungen zu vielerlei regionalen Einzelstudien, von denen ein Teil zu seinem 80. Geburtstag in dem Sammelband „Siedlungsgeschichte und Pfarrorganisation im mittelalterlichen Franken“ (2007) zusammengefasst worden ist. Von benediktinischer Warte besonders zu rühmen sind seine fundierten Überblicke „Das benediktinische Mönchtum in Franken“ (Untersuchungen zu Kloster und Stift, 1980), „Der Adel und die Benediktinerklöster im späten Mittelalter“ (Fschr. Hallinger, 1982) oder auch „Die fränkischen Benediktinerabteien und die Reformation“ (Benediktinisches Mönchtum in Franken, 2000). Höchst verdienstlich sind ferner die zusammen mit Stefan Benz erstellten Verzeichnisse aller im deutschen Sprachraum vor 1806 nachzuweisenden Säkularkanonikerstifte (1994, 2. Aufl. 1997) sowie der Stifte der Augustiner-Chorherren und -Chorfrauen (1996). Dabei hatte Wendehorst durchaus auch noch anderes im Blick als die geistlichen Gemeinschaften: Als Archivar der Friedrich-Alexander-Universität schenkte er seiner Alma Mater zum Jubiläum 1993 eine Gesamtdarstellung ihrer 250jährigen Geschichte, und unter seinen Aufsätzen begegnen Titel wie „Wer konnte im Mittelalter lesen und schreiben?“ (Vorträge und Forschungen 30, 1986), „Was bedeutet das Sprichwort ‚Man soll die Kirche im Dorf lassen‘?“ (Fschr. Heyen, 2003) oder auch „‚Mit dem Latein am Ende sein“. Die kulturhistorischen und philologischen Grundlagen einer sprichwörtlichen Redensart“ (Fschr. Neuhaus, 2009).
Alfred Wendehorst, der zwanzig Jahre lang der Historischen Sektion der Bayerischen Benediktinerakademie angehört, regelmäßig ihre Tagungen besucht und sich in unserem Kreise stets heimisch gefühlt hat, war es vergönnt, bis ins hohe Alter wissenschaftlich aktiv bleiben zu können. Mit 87 Jahren ist er am 3. September 2014 in Fulda verstorben. R. I. P.

Rudolf Schieffer, München

Äbtissin Domitilla Veith OSB (10. Mai 1928 – 22. Januar 2014)

In den frühen Morgenstunden des 22. Januar 2014 verstarb für uns alle unerwartet unsere Altäbtissin Frau M. Domitilla Veith OSB im 86. Lebensjahr und im 54. Jahr ihrer Profess.
Frau M. Domitilla Veith OSB wurde am 10.5.1928 als erstes von vier Kindern der Eheleute Franz und Anna Veith geb. Müller in Striegau /Schlesien geboren und erhielt den Namen Margit Maria. Nach vier Schuljahren an der katholischen Volkschule besuchte sie ab 1938 das Lyzeum für Mädchen. Die Kriegswirren rissen die Familie auseinander, nach abenteuerlicher Flucht fanden sie sich 1946 in Bad Wildungen wieder. Margit fand Aufnahme in das dortige Gymnasium, legte 1948 das Abitur ab und begann das Studium der Germanistik und Anglistik an der Universität Frankfurt.
In ihren Mädchenjahren hatte sie die Abtei Grüssau kennengelernt und zeigte sich schon in diesen jungen Jahren offen für das benediktinische Leben. 1950 schloss sie sich der Abtei, die nach Wimpfen am Neckar umgesiedelt war, als Oblatin an.
Nach dem Staatsexamen folgte ein einjähriger Aufenthalt in den USA, wo Frau Margit Veith am Women‘s College der Benediktinerinnen von Mount Angel, Oregon, Deutsch und Englische und Amerikanische Literatur unterrichtete. Während dieses Aufenthalts reifte der Entschluss, in die Abtei Frauenwörth einzutreten. Der Eintritt erfolgte am 5.10.1956, nach einer Referendarzeit in Fulda schloss sich das Noviziat an. Bei der Einkleidung erhielt Frau Veith den Ordensnamen M. Domitilla. Nach drei Jahren zeitlicher Profess legte sie am 4.6.1963 die ewige Profess ab. Da die klösterliche Direktorin des 6-jährigen Gymnasiums verstorben war, wurde Frau Domitilla mit Beginn des Schuljahres 1963 die Schul- und Heimleitung übertragen, die sie bis zu ihrer Wahl zur Äbtissin am 5.1.1980 innehatte. Am 10. Februar erteilte ihr Joseph Kardinal Ratzinger die Äbtissinnenweihe. 23 Jahre stand sie im Leitungsamt unseres Klosters. Am 75. Geburtstag, dem 10.5.2003, legte Mutter Domitilla ihr Amt nieder. Bis zu ihrem Tod waren ihr noch zehn Lebensjahre in unserer Gemeinschaft geschenkt.
Mutter Domitillas Leben war geprägt vom Erlebnis der Flucht aus der schlesischen Heimat und des Neuanfangs unter harten Bedingungen. Diese Erfahrung machte sie sensibel für Menschen mit ähnlichem Schicksal. So öffnete sie das Kloster während ihrer Zeit als Äbtissin Flüchtlingen aus Bosnien und Kroatien und unterstützte tatkräftig Priesterstudenten und eine Schwesterngemeinschaft in der Ukraine. Schlesien blieb sie innerlich verbunden, pflegte Kontakte zu Schulfreundinnen aus ihrer Kinder- und Jugendzeit und bereiste in ihren späteren Jahren ihre ehemalige Heimat.
Mutter Domitilla war Lehrerin aus Leidenschaft, ausgestattet mit großem pädagogischem Geschick. Erfüllt mit Dankbarkeit gegenüber ihren eigenen Lehrern, förderte und forderte sie ihre Schüler. Manchen blieb sie über Jahrzehnte brieflich verbunden und nahm so Anteil an ihrem Lebensweg. Während ihrer Zeit als Direktorin des Gymnasiums entfaltete sie auch eine rege Bautätigkeit.
Nach der Wahl zur 55. Äbtissin unseres Klosters standen für Mutter Domitilla und den Konvent bald wichtige Entscheidungen an. Es wurde nötig, das Klostergut auf dem Festland zu verpachten und die Schul- und Erziehungstätigkeit der Abtei schrittweise einzustellen. 1983 wurde das Gymnasium geschlossen, bis 1995 wurden auch die Berufsfachschule und die Berufsaufbauschule abgebaut. Bürgermeister der Umgebung und Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft gründeten 1993 einen Freundeskreis, mit dessen Hilfe die ehemaligen Schulund Internatsräume in ein Bildungshaus umgewandelt werden konnten. Dieses Haus bildete zusammen mit dem Klosterladen und der verpachteten Klostergaststätte schließlich die neue wirtschaftliche Existenzgrundlage der Abtei. In all diesen Entscheidungen bewährten sich Mutter Domitillas Weitblick, ihre intellektuelle Begabung, ihr Organisationstalent und nicht zuletzt ihr Mut und ihre Kraft, die sie aus ihrer Christusbeziehung schöpfte gemäß ihrem Wahlspruch: Christus spes mea.
Innerhalb des Benediktinerordens war sie maßgeblich an der Gründung der Föderation der bayerischen Benediktinerinnenabteien beteiligt, der sie 8 Jahre als Moderatrix vorstand. Als Novizenmeisterin konnte sie etliche Frauen zur Profess führen, und in ihrer Amtszeit wurde unser Oblatenkreis gegründet.
Ein Herzensanliegen war Mutter Domitilla die Wiederherstellung der Gärten und die Restaurierung und Aufstellung der Großen Barockkrippe des Klosters, die sie mit innerer Anteilnahme vorantrieb. Oft und gern besuchte sie die Krippe in der Weihnachtszeit. Besonders bei den Besuchen vor dem Kind in der Krippe erlaubte sich Mutter Domitilla, ihre weiche und spirituelle Seite zu zeigen, die sonst oft durch die Härte und Anforderung der Amtsgeschäfte verdeckt wurde. Sie liebte vor allem die Anbetungsszene mit den Magiern, die für sie zum Sinnbild für ihre eigene Sehnsucht nach mehr Zeit und Muße für ein Leben aus dem Gebet wurde. Gegen Ende ihrer Amtszeit verfolgte und unterstützte Mutter Domitilla mit großem Interesse für die lange Geschichte unseres Klosters die Herausgabe unserer Klostermonographie „Kloster Frauenchiemsee“. Aufgrund dieses intensiven historischen Interesses gehörte sie seit 1984 der Sectio Historica der Bayerischen Benediktinerakademie an.
Nach der Amtsniederlegung konnte sich Mutter Domitilla wieder vermehrt ihrer großen Leidenschaft, dem Lesen, widmen. Ihr waches Interesse galt dem Geschehen in Politik und Kirche und der Literatur. Darüber hinaus verwaltete sie die „Irmengard-Kasse“ und stand mit vielen Bedürftigen in Briefkontakt. In Treue nahm sie am Chorgebet der Gemeinschaft teil, nahm Anteil an den Ereignissen und Neuerungen in der Kommunität und gab ihren Rat, ohne sich einzumischen.
Ihren Traum, das Seniorenstudium für Theologie bei Professor Eugen Biser in München zu absolvieren, konnte sie nicht mehr verwirklichen. Die große Arbeitsbelastung während ihrer aktiven Zeit machte sich bemerkbar. Manche körperliche Einschränkung stellte sich ein. Eine Operation im 80. Lebensjahr zog einen gesundheitlichen Einbruch nach sich. Als sie am 3.1.2014 wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes ins Krankenhaus eingeliefert wurde, ahnten wir nicht, dass sie nicht mehr nach Hause zurückkehren würde. Am 22.1. erlag Mutter Domitilla einem Herzversagen.
Wir glauben zuversichtlich, dass sich ihre Hoffnung erfüllt hat, zu dem heimzukehren, den sie in ihrem Beten und Arbeiten gesucht, dem sie gedient und den sie durch ihr Sein und Tun verherrlichen wollte.
In Dankbarkeit für ihr Leben und Wirken in unserer Gemeinschaft haben wir für unsere liebe Verstorbene am 6.2.2014 im Beisein einer großen Trauergemeinde den Begräbnisgottesdienst gefeiert und sie auf unserem Klosterfriedhof beigesetzt.

Äbtissin Johanna und Konvent der Abtei Frauenwörth